Schlappe für Rot-Grün

Für die Bundesregierung war es keineswegs schmeichelhaft, was die Sachverständigen gestern im Visa-Untersuchungsausschuss zu Protokoll gaben. Selbst ein von Rot-Grün geladener Verwaltungsrichter brachte nicht die erhoffte Rückendeckung.

Stattdessen machte er klar, dass die Vergabe von Reisedokumenten in Kiew und anderswo bei allen wünschenswerten Erleichterungen sehr wohl eine sorgsame Prüfung verlangt hätte. Wenn die Botschaftsmitarbeiter in der ukrainischen Hauptstadt aber zeitweise bis zu 14 000 Anträge pro Monat bewältigen mussten - das waren pro Fall durchschnittlich zwei Minuten (!) -, dann erschließt sich auch die Dimension des möglichen Missbrauchs. Dabei ist dieser Umstand noch nicht einmal das zentrale Übel. Beunruhigen muss vielmehr, dass das Außenamt die Hilferufe aus Kiew offenbar lange Zeit ignorierte, anstatt die Mängel umgehend abzustellen. Die Rolle des so genannten Volmer-Erlasses, im Zweifel für die Reisefreiheit zu entscheiden, mag dabei weniger ausschlaggebend gewesen sein. Aber er bildete so etwas wie den ideologischen Überbau für eine zweifelhafte Visa-Vergabe, die längst Praxis war. Der Außenminister ist nun in einer fatalen Lage. Was hat Joschka Fischer wann gewusst? Diese Frage wird der Untersuchungsausschuss zu klären haben. Natürlich handelt es sich bei dem Gremium nicht um ein Gericht, sondern um ein Kampfinstrument der Opposition. Gerade deshalb passen auch die regierungsinternen Reibereien zur Visa-Praxis gut in ihr Konzept. Innenministerium kontra Außenamt, Schily kontra Fischer. Allein das bietet eine Menge Futter, um den Ausschuss lange am Leben zu halten. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort