Schluss mit der Ostalgie!

Der bedingungslose Schießbefehl an der DDR-Grenze existierte also! Was haben die alten Bonzen dies geleugnet.

In Berlin gibt es die Gedenkstätte Hohenschönhausen, ein ehemaliges Stasi-Gefängnis, in dem Häftlinge zu DDR-Zeiten misshandelt wurden. Wenn dort Veranstaltungen stattfinden, so berichten die Organisatoren, mischen sich unter die Teilnehmer immer häufiger ehemalige Stasi-Leute oder alte SED-Funktionäre, die dann unverhohlen die Geschichte leugnen und revidieren. Sie sind mutiger geworden, die Täter von einst. Weil 46 Jahre nach dem Mauerbau und 18 Jahre nach ihrem Fall das Vergessen und Verharmlosen im vereinten Deutschland zu dominieren scheint.

Der bedingungslose Schießbefehl an der DDR-Grenze existierte also! Was haben die alten Bonzen dies geleugnet. Diese "Lizenz zum Töten" von Männern, Frauen und sogar Kindern mag Historiker jetzt in Ekstase und Politiker in helle Aufregung versetzen. Wahr ist aber auch: Die Entdeckung des Dokuments verändert nicht den Blick auf die DDR, sie bestätigt ihn nur in eindringlicher Weise. Denn der selbsternannte Arbeiter- und Bauern-Staat war zweifellos ein Unrechtsregime mit Todesstreifen und Spitzelsystem. Der jetzt gefundene Schießbefehl ist da "nur" ein weiteres unmenschliches und sich einfügendes Detail.

Über die Brutalität der Kader-Diktatur spricht man allerdings immer weniger. Stattdessen wabert seit Jahren schon die "Ostalgie" durchs Land. Im deutschen Fernsehen hat die DDR inzwischen Showqualität. Absurd. Im Kino war es lange Zeit ähnlich, bis das Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" zum Glück einem breiten Publikum das Bewusstsein wieder veränderte. Natürlich lebte man im Osten, und es gab viele Oasen der Normalität und des Privaten. Aber um welchen Preis, bitteschön? Der lässt sich in den Tausenden Dokumenten der Birthler-Behörde eindrucksvoll und beängstigend nachlesen.

Genug von den Altkadern, die wieder durch die Lande ziehen und so tun, als ob der real-existierende Sozialismus immer nur die Glückseeligkeit der Allgemeinheit und nicht den Profit einer einzelnen Clique im Blick hatte. Genug auch davon, dass die zahlreichen Opfer der DDR immer noch um Anerkennung ringen müssen, während die Täter versuchen dürfen, fromm und frei die Geschichte zu verharmlosen. Dem vereinigten Deutschland würde nach der Entdeckung des Schießbefehls eine neuerliche aufklärerische Debatte darüber gut zu Gesicht stehen, was die DDR wirklich gewesen ist. Damit kommenden Generationen nicht ein verklärtes Bild der DDR zurückgelassen wird.

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