Schöne Aussichten

Man braucht keine OECD-Studie, um den erbärmlichen Zustand des deutschen Bildungssystems zu analysieren. Es reicht völlig, wenn man betriebliche Ausbilder oder Mittelstufenlehrer fragt, wie das Niveau vieler Schüler und Lehrlinge ist, mit denen sie sich herumschlagen müssen.

Da nützt auch keine Gesundbeterei der Landes-Kultusbürokraten in ihren 16 Kleinstaaten: Die Sache ist verkorkst, und die eingeleiteten Bemühungen gleichen dem Versuch, mittels eines Kaffeelöffels das Wasser aus einem sinkenden Ozeandampfer zu schaufeln. Es fehlt eben nicht nur an theoretischen Bildungsstandards. Es fehlt an Personal und an Ausstattung, in der einfachen Version für Pisa-Geschädigte: an Geld, Kohle, Zaster, Kies. Das hat auch damit zu tun, dass in diesem unserem Land die Empörung über eine brüchige Straßendecke deutlich mehr Menschen erfasst als die Empörung über eine brüchige Klassenzimmer-Decke. Da nützt es auch wenig, wenn Bund oder Land weiter die kommunalen Kassen plündern, um steigende Bildungs-Etats nachweisen zu können. In finanzklammen Städten und Gemeinden lernen Schüler in heruntergekommenen Bruchbuden, an ausrangierten Computern der drittletzten Generation, hinter wegen Putz-Etat-Ersparnis halbblinden Fenstern. Ob das die Ungleichheit der Lebensverhältnisse ist, von der der Bundespräsident glaubt, dass wir uns besser daran gewöhnen sollten? Wirkliche Abhilfe ist nicht in Sicht. Die Ganztagsschule ist löblich, aber in ihrer deutschen Version eher auf eine halbwegs vernünftige, preisgünstige Kinder-Verwahrung zwecks Entlastung berufstätiger Eltern denn auf Bildungs-Offensive ausgerichtet. In zehn Jahren werden wir händeringend in aller Herren Länder nach qualifiziertem Personal suchen gehen, während die Frucht unserer Bildungspolitik Ich-AG's zum Rasenmähen und Schneeschippen gründet. Schöne Aussichten. d.lintz@volksfreund.de

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