Schröder gibt sich unbeirrbar

BERLIN. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am Mittwoch in der Generalaussprache zum Bundeshaushalt mit Nachdruck seinen Reformweg gerechtfertigt.

Was die Öffentlichkeit an diesem Mittwoch im Bundestag zur rot-grünen Halbzeitbilanz vom Kanzler erwarten durfte, hatte Gerhard Schröder schon am Vorabend bei einer kurzen Ansprache auf dem traditionellen Hoffest der SPD-Fraktion verdeutlicht: "Die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein, macht stark, auch Schwierigkeiten zu überwinden." Der Regierungschef als politischer Überzeugungstäter. Diese Botschaft sollte sich trotz der bösen Wahlniederlage im Saarland an den Bier- und Bratwurstständen verfestigen. Und obgleich nicht wenige Parteifreunde mit der Gewissheit des richtigen Weges arge Probleme haben, stand ihnen doch so etwas wie Bewunderung über Schröders Unerschütterlichkeit in den Gesichtern geschrieben. Als der Kanzler kurz vor zehn Uhr ans Mikrofon tritt, hat das Hohe Haus gerade einen zweifelhaften Redebeitrag der Opposition überstanden. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos, beim Schlagabtausch über politische Grundsatzfragen stets für das rhetorische Aufwärmprogramm zuständig, zog diesmal die unterste Schublade plumper Beschimpfungen auf. Doch seine Exkurse über "Kursraketen” an den Börsen, wenn der "Zwerg” Schröder abdanken würde, empfanden selbst die eigenen Reihen als Rohrkrepierer. "Früher waren Sie überwiegend lustig und selten peinlich. Heute ist es umgekehrt”, befindet der Regierungschef in Richtung Glos. Applaus bei Rot-Grün, auf den Unionsbänken herrscht betretenes Schweigen. Der Kontrast auch sonst könnte nicht größer sein. Gleich mehrfach benutzt Schröder das Wörtchen "gemeinsam”, um der Opposition ihre Verantwortung im politischen Reformprozess vor Augen zu führen.Rhetorische Angriffe mit feiner Klinge

Gemeinsam sei Hartz IV beschlossen worden, weshalb nun auch die Umsetzung "unabhängig von parteipolitischer Färbung” gelingen müsse. Die wenigen rhetorischen Angriffe Schröders werden mit feiner Klinge geführt. In Sachen Arbeitslosengeld II erinnert er die "verehrte Opposition” daran, dass sie es war, die auf Verschärfungen bei der Vermögensanrechnung oder bei den Zuverdienstmöglichkeiten drängte und nun eine gegenteilige Linie verfolge. "Das ist nicht die Art Politik zu machen”, ruft Schröder in den Saal. Im Kern richtet sich sein Vortrag an die eigene Fraktion. Immer wenn es eng wurde, hat Schröder frei und engagiert geredet. Das ist jetzt nicht anders. "Es gibt überhaupt keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen”, verkündet der Kanzler. Nicht einmal der Machtverlust kann Schröders Selbstverständnis schrecken: "Ich weiß um die schmerzlichen Wahlniederlagen, aber wenn wir jetzt nicht handeln, wird es zu spät sein - egal, wer dann der Handelnde ist." In der Union hat man offenbar gemerkt, dass diese Unbeirrbarkeit zu einer Gefahr für die eigenen Wählersympathien werden könnte. Oppositionsführerin Angela Merkel sucht den Regierungschef deshalb an seiner wunden Stelle zu treffen: "Der Mangel an Glaubwürdigkeit ist Ihr innenpolitisches Dilemma”. Als Paradebeispiel dienen dafür natürlich die Irrungen und Wirrungen bei der Hartz-Reform. Statt die Maßnahmen "anständig zu erklären”, hätte sich die Regierung in den Urlaub verabschiedet, höhnt die CDU-Frau. "So können Sie die Leute nicht überzeugen." Auch sonst nimmt Merkel die Defizite der Kanzler-Rede geschickt aufs Korn. Weder zu den Hartz-Protesten noch zum Aufbau Ost hatte Schröder Stellung bezogen. "Was ist bei 24 Prozent Arbeitslosigkeit die Perspektive für die Menschen?", fragt Merkel eingedenk der düsteren Arbeitsmarktlage in ihrem Wahlkreis Stralsund. Und überhaupt: "Wie lohnen sich die alle die Veränderungen für die Menschen?” Dass Merkel eigene Antworten schuldig bleibt, zeigte sich bei der anstehenden Neuregelung zum Zahnersatz, für die sie lediglich eine "konstruktive Lösung” verspricht. Beim Bekenntnis zum Prämienmodell in der Krankenversicherung sparen auffällig viele CSU-Abgeordnete mit Beifall.

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