Schwer zu ertragen

Auf dem Soldatenfriedhof Kolmeshöhe in Bitburg liegen neben "normalen" Soldaten auch einige Mitglieder der Waffen-SS begraben. Die meisten von ihnen wurden keine 20 Jahre alt. Als US-Präsident Ronald Reagan diesen Friedhof im Frühjahr 1985 zusammen mit Bundeskanzler Helmut Kohl besuchen wollte, gab es weltweit einen Aufschrei der Entrüstung.

Mit am lautesten schrie damals die linke deutsche Schriftsteller-Elite mit Günter Grass und Ralph Giordano. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen erscheint das zumindest merkwürdig. Grass, der Nobelpreisträger und Autor der "Blechtrommel", neben Heinrich Böll die moralische Instanz in der deutschen Literatur, gibt 61 Jahre nach dem Krieg zu, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Und sein Bruder im Geiste, Ralph Giordano, findet das nicht so schlimm, lobt im Fernsehen den Autor gar für sein spätes Geständnis. Das verwundert bei Moralisten wie Giordano ganz besonders, waren sie es doch, die - nach Meinung vieler zu Recht - unerbittlich mit deutschen Vergesslichkeiten ins Gericht gingen, die keine Erklärungs- und Entschuldigungsversuche im Zusammenhang mit der Nazi-Zeit gelten ließen, die Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit einforderten. Und jetzt, wo es um das eigene Vergessen und Versagen geht? Alles halb so schlimm? Niemand kann Günter Grass einen Vorwurf daraus machen, dass er als halbes Kind gegen Kriegsende in der Waffen-SS landete. Aber es bleibt schwer erträglich, dass er von den anderen stets die Ehrlichkeit einforderte, zu der er über Jahrzehnte hinweg selbst nicht bereit war. Mit seinem späten Bekenntnis ist Grass als moralische Instanz erledigt. Und wenn die literarische Linke in diesem Land weiter nach Entschuldigungen für ihre Ikone sucht, statt das Versagen beim Namen zu nennen, verliert auch sie jede Glaubwürdigkeit. d.schwickerath@volksfreund.de

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