Sechs Millionen potenzielle Lebensretter

Die Zahlen sprechen für sich: Rund 12 000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Im Jahr 2005 wurden aber nur knapp 4000 Organe transplantiert. Zugleich halten laut Umfragen 82 Prozent der Bundesbürger eine Organspende für eine gute Sache, aber nur zwölf Prozent tragen einen Spenderausweis mit sich. Das soll sich nach dem Willen der Bundesregierung ändern.

Berlin. Nach Informationen unserer Zeitung wird das Bundes-Gesundheitsministerium in der kommenden Woche die größte Kampagne aller Zeiten zur lebensrettenden Organspende starten: Rund sechs Millionen Spenderausweise sollen an die Deutschen verteilt werden. Die Ausweise werden der ministeriellen Werbezeitung "Die gesunde Zeitung" angeheftet, die dann in zahlreichen Zeitschriften beiliegt. "Deutschland braucht mehr Organspender", lautet das Motto. Seit genau zehn Jahren gibt es ein Transplantationsgesetz. Wer will, dass nach dem Tod seine eigenen Organe anderen helfen, der kann Spender werden, indem er einen Spenderausweis ausfüllt und bei sich trägt. Das reicht. Nur viel zu wenige tun dies: Es gibt Extremfälle, da warten Patienten seit neun Jahren auf eine Spenderniere. "Wir haben in Deutschland einen eklatanten Organmangel", heißt es bei der Deutschen Stiftung Organspende (DSO), die die Transplantationen bundesweit koordiniert. So beträgt derzeit die Wartezeit auf eine Niere fünf bis sechs Jahre. Für Herz und Niere gilt indes: Es ist ein Wettlauf mit der Zeit; viele Patienten sterben, weil kein Organ rechtzeitig zur Verfügung steht, weiß die DSO. Mit ihrer Kampagne hofft die Bundesregierung auf eine lebensrettende Änderung des öffentlichen Bewusstseins. Zumal in anderen Ländern die Spendenbereitschaft wesentlich höher als in Deutschland ist: 2006 willigten in Spanien mehr als doppelt so viele Menschen in eine Organspende ein. Nur in etwa einem Fünftel der Fälle wissen die Angehörigen, wie der Verstorbene zum Thema Organ-Transplantation stand. Hat er seinen Willen nicht zu Lebzeiten dokumentiert, muss die Familie entscheiden, ob sie die Organe freigibt oder nicht. Nach Ansicht von Experten ist es daher wichtig, sich zu Lebzeiten mit dem Thema Organspende zu beschäftigen, um so zu einer persönlichen Entscheidung zu kommen. In der Grauzone Der Gedanke daran verursacht einem schon einen Schauer: Nach dem eigenen Tode werden Organe entnommen und auf andere Menschen, die man gar nicht kennt, übertragen. Der Umgang mit der eigenen Menschenwürde auch nach dem Ableben ist eine zutiefst persönliche Frage. Die Schlagzeilen vom florierenden Organhandel nicht nur in China oder der Dritten Welt verstärken die Sorgen und die Befürchtungen der Menschen. Klar, Organhandel ist in Deutschland verboten. Spricht man mit Fachleuten, wächst aber die Erkenntnis, dass es auch hierzulande Grauzonen gibt; dass auch in Deutschland Geld eine Rolle spielt, das es eigentlich nicht spielen darf. Die Politik muss sich schleunigst um solche Entwicklungen kümmern. nachrichten.red@volksfreund.de

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