Selbstzerfleischung pur

Das ist Politik in ihrer brutalstmöglichen Form. Selbst hartgesottene, erfahrene Parteigänger reiben sich die Augen angesichts des Ausmaßes der Selbstzerfleischung, das ihre CSU an den Tag legt. Der Münchner Intrigantenstadel leistet ganze Arbeit.

Wer sagt, Politik ist ein schmutziges und scheinheiliges Geschäft, der dürfte sich mehr denn je bestätigt fühlen durch das seit Wochen tobende christsoziale Drama. Und nun auch noch durch den Fall Seehofer - von welcher Seite man diesen auch immer betrachtet. Politik findet bei der CSU derzeit vor allem als Begleichung alter Rechnungen und Pflege persönlicher Eitelkeiten statt. Fatal für eine Partei, die für sich gerne den Anspruch erhebt, moderne Volkspartei zu sein, gar Familienpartei mit christlichem Weltbild. Die Umfragen belegen jedenfalls, dass die Machtkämpfe sogar die sturen und treuen Freistaatler an ihrer CSU zweifeln lassen. Nur: Die Folgen der bayerischen Endzeit-Tragödie werden die Parteien bundesweit zu spüren bekommen. Das Vertrauen in die Demokratie, die Glaubwürdigkeit von Politik dürften weiter Schaden nehmen - diese Wirkung scheint aber bei den munteren Prügeleien in München, Kreuth und anderswo kaum einen CSU-Mann zu interessieren. Wie konnte es soweit kommen? Edmund Stoiber hat die Partei in die Sackgasse geführt. Bis heute muss man fragen, warum der CSU-Chef so stur die Zeichen der Zeit missachtet hat und nach wie vor nicht in der Lage ist, klipp und klar die entscheidende Frage zu stellen: Wollt ihr mich noch oder nicht? Stoiber hat sich verzockt. Er hat wie ein politischer Anfänger taktiert, gleich zu Beginn der Krise und dann fortlaufend; er wollte und will Zeit gewinnen, um so seine Macht retten zu können. Dass er aber den Verfallsprozess der CSU dadurch erst richtig in Gang setzte, hat der Ministerpräsident bis heute nicht begriffen. Inzwischen hat das Desaster eine solche Eigendynamik gewonnen, dass selbst der letzte bayerische Hinterbänkler sich berufen fühlt, fleißig an Stoibers Demontage mitzuwirken. Kaum vorstellbar, dass so jemand das Land noch erfolgreich weiterregieren kann. Er ist aber nicht alleine Schuld. Kraftlose CSU-Granden haben die explosive Lage ihrer Partei nach der Spitzel-Affäre um die Fürther Landrätin Pauli falsch eingeschätzt. Oder schlichtweg ignoriert. Sie haben sich gegenseitig neutralisiert, misstrauisch beäugt und waren nicht mutig genug, mit Stoiber Klartext zu reden. Aus Angst, als Königsmörder dazustehen und eigene Ambitionen zu entlarven. Führung sieht jedoch weiß Gott anders aus. Was nun? Der CSU hilft jetzt nur noch eine ganz schnelle personelle Zäsur, klar und drastisch. Nur so kann die erfolgsverwöhnte Partei ein Desaster bei den Kommunal- und Landtagswahlen 2008 verhindern. Mag sein, dass es dazu aber schon längst zu spät ist. nachrichten.red@volksfreund.de

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