Sie plappern wie Anfänger

Angela Merkel kennt die „Hiebe von hinten aus den bayerischen Wäldern“. So nannte sie 2001 das Gepolter aus der Münchner Staatskanzlei, mit dem die CSU den Machtkampf um die Kanzlerkandidatur der Union ein Jahr später eröffnete. Den gewann bekanntlich der Christsoziale Edmund Stoiber.

Angela Merkel kennt die "Hiebe von hinten aus den bayerischen Wäldern". So nannte sie 2001 das Gepolter aus der Münchner Staatskanzlei, mit dem die CSU den Machtkampf um die Kanzlerkandidatur der Union ein Jahr später eröffnete. Den gewann bekanntlich der Christsoziale Edmund Stoiber. Derweil hat Merkel eines gelernt: Bajuwarische Attacken und Alleingänge - man nehme nur das Theater um die Steuer- und Gesundheitsreform aus dem letzten Jahr - sind freistaatliche Tradition und unvermeidbar wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche. Das macht sie aber auch so gefährlich wie selbige.

Was ist los mit den Unionsgranden? Sie plappern sich in diesem Wahlkampf wie politische Anfänger um Kopf und Kragen. Und verspielen ausgerechnet dort den letzten Kredit, wo die Wahl mit entschieden wird: im Osten. Erst Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, freilich ein CDU-Mann, der sich mit seinen Thesen zur ostdeutschen Gewaltbereitschaft zum Sprachrohr westlicher Stammtisch-Ressentiments gemacht hat. Klar doch, die Ossis, unzivilisiert und undankbar - welch eine Arroganz des feschen Ex-Generals. Und jetzt plaudert der mächtige CSU-Chef Edmund Stoiber drauf los. Er will den "Frustrierten" drüben also nicht Deutschlands Schicksal überlassen. Größer kann die Ignoranz gegenüber jenen nicht sein, die die von der Union vor 16 Jahren gemachten Fehler im Einigungsprozess primär ausbaden müssen.

Protest ist im Osten schließlich erst populär, seit die Menschen die Kehrseite der Einheit erfahren haben. Dass der Umbruch schmerzlich werden würde, wurde damals ja geflissentlich verschwiegen. Stoibers Äußerungen zeigen, dass ihm die Antworten fehlen, dass ihn der Osten nie wirklich interessiert hat. Auch nicht als Kandidat 2002. Sie treffen indirekt Angela Merkel, die ohnehin schon in den neuen Ländern keinen Bonus hat, und deren Nominierung anders als erhofft eben nicht als Etappensieg auf dem Weg zur politischen Gleichberechtigung angesehen wird. Im Gegenteil, Merkel gilt als verwestlicht. Vom Stallgeruch der Uckermark ist nichts mehr übrig, weil sie sich auf dem Weg nach oben nahtlos in die Großspurigkeit der bundesrepublikanischen Polit-Tristesse einfügen musste. So einer traut man nicht zu, ob zu Recht oder nicht, dass sie Wessis wie Stoiber ernsthaft Paroli bietet. Geschweige denn die Interessen der gedeckelten Ostdeutschen hochhält.

Die Talfahrt der Union im Osten und das Erstarken der Linkspartei dort hängen zweifellos mit dieser Merkel'schen Schwäche zusammen. Und die Rutschpartie wird jetzt durch Stoiber noch verstärkt. Dennoch: Die Kanzlerkandidatin muss dem spaltenden Gerede endlich Einhalt gebieten. Um auf dem Weg ins Kanzleramt vielleicht doch ein Stück Glaubwürdigkeit im Osten zurück zu gewinnen. Aber auch, um die CDU zu schützen. Denn das innige Selbstverständnis der Union als Partei der deutschen Einheit steht nun mehr denn je zur Disposition.

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