Spiel auf Zeit

Wer gestern auf der BDI-Tagung den Kanzler hörte, konnte nicht den Eindruck haben, dass die Abgesänge auf den Genossen seit dem Wahldesaster des Sonntags in naher Zukunft Wirklichkeit werden. Im Gegenteil.

Gerhard Schröder ist zweifellos ein Kämpfer. Das hat er während seiner Amtszeit oft genug bewiesen - und seit der Verkündung der Agenda 2010 vor mehr als einem Jahr ist das Regieren für ihn längst zu einem Dauerkampf geworden. Also will er es wissen. Er will wissen, ob alles Murks war, was er an Reformen bisher unter großen Mühen durchgesetzt hat, und ob die Deutschen es irgendwann begreifen werden, dass sein Weg der richtige für das Land ist. Augen zu und durch, aussitzen nannte man das unter Helmut Kohl. Schröder hat allerdings auch gar keine andere Wahl. Er ist in einer Zwickmühle. Würde er nämlich jetzt den Kurswechsel vornehmen, bliebe seine Glaubwürdigkeit vollends auf der Strecke. Dann doch lieber darauf hoffen, dass die Reformen noch rechtzeitig vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr greifen. Falls nicht, wird Schröder seine Sachen packen müssen - allein deshalb, weil der Regierung dann eine Zweidrittel-Mehrheit der Union im Bundesrat droht. Vielleicht kommt es aber auch anders, und der Kanzler behält endlich mal Recht. Dann wäre er wirklich der Reformkanzler, und viele müssten Abbitte leisten. Es ist also ein Spiel auf absehbare Zeit, das Schröder treibt. nachrichten.red@volksfreund.de

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