Sport, Geld und Moral

Jeder blamiert sich, so gut er kann. Und selten hat ein sportliches Ereignis so viel Gelegenheit dazu geboten wie die Tour de France 2007.

Nehmen wir erst die Dopingkriegsgewinnler von Sat 1. Deren kompetenzlos daherstammelnde Reporter wollen uns Zuschauern erzählen, es sei eine Heldentat im Sinne demokratischer Entscheidungsfreiheit, dass ihr Sender, der gerade seine Nachrichten wegspart, die Übertragungen aus Frankreich übernimmt. Geradezu ein Opfergang, damit uns die Diktatoren von ARD und ZDF nicht bevormunden können. Fakt ist: Da wittert ein im Sportgeschäft längst abgehängtes Medien-Unternehmen die Chance, als letzter Trittbrettfahrer im Besenwagen noch ein paar Quotenprozente und Werbe-Euro abzustauben. Die Häme, dass die Zuschauer offenbar Eurosport aufgrund höherer Qualität bevorzugen, hat sich Sat 1 redlich verdient.Die öffentlich-rechtliche Heuchelei ist freilich keinen Deut besser. Erst benahm man sich zehn Tage lang bei den eigenen Übertragungen wie ein Groß-Inquisitor, feierte in fetten Bildern die Sieger und fragte dann scheinheilig, ob wohl alles mit rechten Dingen zugegangen sein könne. Das klang bisweilen, als übertrage man einen Striptease aus dem Table-Dance-Club, kommentiert von einer Emma-Redakteurin und einem Experten für Mädchenhandel. Ganze Geschwader von Chefredakteuren mussten auftreten, um den Eiertanz zu erklären. Dabei ist die Sache gar nicht so kompliziert: Entweder ist der Radsport ein doping-verseuchter, sportwidriger Sumpf, und dann hätte man gar nicht erst übertragen dürfen. Oder der Sport ist okay, und es gibt ein paar schwarze Schafe, dann hätte man die Übertragung nicht wegen eines Einzelfalls abbrechen sollen. Zumal auch für Patrick Sinkewitz bis zur Öffnung der B-Probe die Unschuldsvermutung zu gelten hätte, für die sich hierzulande scheinbar niemand mehr interessiert. Was, wenn der Gegentest negativ ausfiele? Weiter übertragen? Bis zum nächsten Fall?

Derweil lachen sich andere über uns aufgeregte deutsche Anti-Doping-Musterknaben kaputt. Frankreich, England, Spanien, Benelux: Lauter Horte der Unmoral und des schmutzigen Lorbeers. Die übertragen einfach weiter und haben keine Lust, sich den Spaß von einer Doping-Debatte verderben zu lassen. Oder kann es sein, dass die einfach Dinge, die sie angefangen haben, auch zu Ende bringen? Um vielleicht hinterher in Ruhe und panikfrei zu überlegen, wie man künftig mit dem Problem umgeht? Das wäre gar kein so schlechtes Vorbild.

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