Steuerbetrug leicht gemacht

Für Otto Normalverdiener ist es fast unmöglich, das Finanzamt zu betuppern. Für alles will der Fiskus Belege sehen. Anders, wenn man Millionär oder Unternehmer ist. Dann wird kaum kontrolliert. Elf bis 16 Milliarden Euro beträgt der Schaden durch mangelnden Steuervollzug pro Jahr, trug die Gewerkschaft Verdi gestern vor.

Berlin. (kol) Auch der Bundesrechnungshof prangert diesen Missstand seit langem an. Doch eine Änderung ist nicht in Sicht. Der Föderalismus ist schuld. Denn der Steuervollzug ist Ländersache, und einige Länder nehmen es nicht so genau. Vor allem die reichen Süd-Länder nicht, wie Verdi-Chef Frank Bsirske gestern sagte.Er sieht sogar einen Fall "verdeckter Wirtschaftsförderung", wenn Unternehmen nur alle 50 Jahre mit einer Betriebsprüfung rechnen müssen, wie dies mancherorts der Fall ist. Oder wenn nur die Steuererklärung von jedem zehnten Einkommens-Millionär geprüft wird.Der Grund für den Schlendrian: Es fehlt an Betriebsprüfern, Steuerfahndern und Innenrevisoren. Rund 6000 sind nach den eigenen Planvorgaben der Länder derzeit bundesweit zu wenig im Dienst, rechnete Bsirske vor. Und da jeder von diesen Beamten normalerweise rund eine Million Euro pro Jahr in die Staatskasse bringt, beträgt der Verlust etwa sechs Milliarden Euro. Weitere Milliarden könnten eingenommen werden, wenn die Verwaltungen effektiver arbeiten und Daten austauschen würden, sagte Bsirkse unter Berufung auf ein Gutachten. Das Motiv für die Anklage des Gewerkschafts-Chefs ist auch die bevorstehende Tarifrunde für den öffentlichen Dienst. "Das Klagelied von den leeren Kassen klingt nicht gerade glaubwürdig." Vor Bsirkse hatte schon der Bundesrechnungshof das Vollzugsdefizit in der Steuerverwaltung kritisiert. Getan hat sich jedoch nichts, denn gerade die reichen Länder haben kein Interesse, noch dem letzten Steuer-Euro hinterherzurennen. Sie müssen Mehreinnahmen nämlich zu einem großen Teil über den Länderfinanzausgleich an die ärmeren Länder abführen. Da spart man sich lieber die Personalkosten und lockt Investoren augenzwinkernd mit dem Argument, dass Betriebsprüfungen eher ein Jahrhundert-Ereignis sind.

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