Stochern im Nebel
Die Angst der Versicherten ist verständlich. Durch die angebliche Gesundheitsreform werden in erster Linie einseitig die Patienten belastet. Deren Verunsicherung zeigt, dass trotz allen Palavers und richtiger Ansätze die Reform mit heißer Nadel gestrickt wurde. Monatelang wurde über sie diskutiert, wurden Kommissionen eingesetzt, deren Ideen, bevor sie überhaupt spruchreif waren, schon wieder von allen möglichen selbst ernannten Experten in der Luft zerrissen wurden. Letztlich wurde die Reform dann in aller Eile, mit etlichen Zugeständnissen und faulen Kompromissen, auf den Weg gebracht. Was am Ende von den ehrgeizigen Plänen der Gesundheitsministerin übrig blieb, ist billige Flickschusterei. Von echten Strukturreformen keine Spur mehr. Stattdessen nur ein Drehen an der Kostenschraube - zu Lasten der Versicherten. Dabei wurde allerdings vergessen, die die Hauptlast der Reform zu tragen haben auch darüber zu informieren, was nun wirklich auf sie zukommt. Nur bruchstückhaft wurden immer wieder einzelne Teile des umfangreichen Gesamtwerkes an die Öffentlichkeit gebracht: Höhere Zuzahlungen, Zusatzversicherung für Zahnersatz, Zuschüsse für Brillen gestrichen, Praxisgebühr. Alles Schlagworte ohne konkreten Inhalt. Beim Versicherten bleibt nur hängen: Ich muss mehr bezahlen. Die Macher des als größte Gesundheitsreform in der Geschichte der Bundesrepublik gepriesenen Werkes haben es nicht für nötig empfunden, den Patienten die Reform zu erklären. Was bringt sie? Was ändert sich? Was kostet sie den Einzelnen? Offenbar ist man in Berlin einfach nur froh, dass man die Reform mit Hängen und Würgen durchgeboxt hat. Irgendwie wird sich alles einspielen. Doch nicht nur die Patienten stochern im Nebel und sind verunsichert. Auch alle anderen Akteure im Gesundheitswesen werden im Regen stehen gelassen. Ärzte wissen nicht, wie sie die Praxisgebühr eintreiben sollen. Wie läuft es künftig mit den Zuzahlungen? In vielen Apotheken erntet man auf diese Frage Schulterzucken. Selbst so genannte Experten haben Schwierigkeiten, die Eckpunkte der Gesundheitsreform zu erklären. Es ist nicht zu erwarten, dass in den verbleibenden zwei Monaten noch wirklich Erhellendes in Sachen Gesundheitsreform verkündet wird. In Berlin steht man auf dem Standpunkt, wer nicht weiß, was ab Januar läuft, ist selbst schuld. Vermutlich liegt es auch daran, dass man zu den täglichen Horrormeldungen über Rentenkürzungen und Rekordverschuldung den Bürgern nicht noch mehr zumuten will. Es droht also zumindest mit einigen Teilen der Gesundheitsreform ein Desaster. Aber daran ist man ja seit dem Flop mit der LKW-Maut gewöhnt. b.wientjes@volksfreund.de