Streit um ein Phantom

Langzeitarbeitslose haben es hier zu Lande immer schwerer, eine zumutbare Beschäftigung abzulehnen. Wer sich innerhalb von drei Monaten einem Angebot entzieht, dem droht eine Kürzung des Arbeitslosengelds II um 30 Prozent.

Sagt er ein zweites Mal "Nein", wird die Strafe verdoppelt. Ab 2007 gelten verschärfte Bestimmungen. Die Frist verlängert sich von drei Monaten auf ein Jahr. Wer beispielsweise im Januar einen Job ausschlägt und im Dezember ein zweites Mal, verliert fast zwei Drittel des Regelsatzes. Beim dritten Sündenfall ist das ALG II ganz futsch. So haben es Union und SPD bereits vor der Sommerpause beschlossen. Gerade deshalb mutet der Streit über die Empfehlung des Sachverständigenrates zur Senkung der Stütze absurd an. Wirtschaftsminister Glos, aber auch CDU-Generalsekretär Pofalla, kennen offenbar ihr eigenes Gesetz nicht. Denn der von ihnen begrüßte Experten-Vorschlag entspricht längst der geltenden Rechtslage. Wer genauer hinschaut, wird allerdings erkennen, dass die Sachverständigen mehr im Sinn haben. Nach ihrem Verständnis muss das ALG II generell um 30 Prozent sinken. Zum Ausgleich soll jeder Betroffene eine Arbeitsgelegenheit bekommen. In der Praxis haben die Kommunen aber schon jetzt riesige Schwierigkeiten, für gering Qualifizierte eine Beschäftigung zu finden. Das heißt im Klartext: Millionen Menschen müssten unter dem anerkannten Existenzminimum leben. Das kann die Union nicht wirklich wollen. Die Empfehlung des Sachverständigenrates ist dann auch eher etwas für volkswirtschaftliche Seminare. In der Praxis taugt sie nur zum Phantom. Union und SPD sollten ihren Streit schleunigst begraben. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort