Taub und blind

Gerüchte über US-Geheimflüge und -Gefangenenlager in Europa gibt es schon länger. Wirklich überraschen kann daher der Abschlussbericht des Europarat-Ermittlers Dick Marty nicht. Selbst wenn sich auch Martys Erkenntnisse mehr auf Mutmaßungen denn auf Fakten beziehen.

Das liegt in der Natur der Sache. Die amerikanische CIA ist schließlich ein Geheimdienst, der mit seinen Informationen nicht so offen hausieren geht wie die Kontrolleure des deutschen Bundesnachrichtendienstes. Klar ist auch, dass die im Marty-Bericht an den Pranger gestellten europäischen Regierungen nicht zugeben werden, dass sie die Aktivitäten des US-Geheimdienstes auf ihrem Terrain unterstützt oder zumindest geduldet haben. Die Bundesregierung könnte sich auch nicht damit herausreden, dass die Amerikaner in Deutschland nur auf ihren eigenen Flugplätzen in Ramstein oder Frankfurt gelandet seien. Selbst Überflugrechte dürfen nicht dazu genutzt werden, menschenrechtswidrige Ziele zu verfolgen. Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken ermittelt seit einiger Zeit wegen möglicher Freiheitsberaubung und Nötigung gegen unbekannt. Hintergrund ist der Fall eines im Februar 2003 vermutlich von CIA-Agenten in Italien entführten Ägypters, der über Ramstein nach Kairo gebracht worden sein soll. Dass die Ermittlungen in ein Verfahren münden, an dessen Ende tatsächlich jemand verurteilt wird, ist illusorisch. Dies werden schon die Amerikaner mit allen Mitteln zu verhindern wissen. Dennoch: Durch derartige Ermittlungen und die nicht erst von dem Marty-Bericht ausgelösten Diskussionen über geheime CIA-Aktionen wird der öffentliche Druck auf die in dieser Hinsicht bis dato tauben und blinden europäischen Regierungen zunehmen. Sie werden letztlich zum Handeln gezwungen sein. Mehr konnte eine in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Staatenorganisation wie der Europarat nun wirklich nicht erreichen. r.seydewitz@volksfreund.de

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