Tiefer blicken

Jeder tut ohne Rücksicht auf Verluste, wozu er gerade Lust hat. Es gilt das Gesetz des Stärkeren. Und Sünden führen zu emotionaler Erfüllung. Mit Grundsätzen wie diesen stellt der Satanismus unsere Gesellschaftsordnung fundamental in Frage - und verlangt damit nach einer eingehenden Beschäftigung mit seinen Ursachen.

Dummheit? Ignoranz? Sie mögen es dem kruden Gedankengut erleichtern, Fuß zu fassen - doch das Phänomen allein darauf zu schieben, greift zu kurz. Die Attraktivität des Satanismus beruht auch auf Entwicklungen innerhalb unserer Gesellschaft. Wie kommt es, dass die meist jungen Anhänger dieser Weltanschauung für Demokratie, Solidarität und Menschenrechte nichts übrig haben? Wieso wählen sie für ihre Rebellion gegen Elternhaus und Erwachsenenwelt eine derart destruktive Form des Protests? Was fasziniert sie an der seltsam-simplen "Philosophie"? Offensichtlich ist es nicht gelungen, den jungen Satanismus-Sympathisanten die großen Stärken unseres Systems zu vermitteln, die Bedeutung von über Jahrhunderte hinweg erkämpften Prinzipien wie den Menschenrechten. Sie haben nicht gelernt, Protest in eine konstruktive Richtung lenken. Dass es viel mehr Spaß macht, sich einzubringen, zu verändern, Impulse zu geben und Akzente zu setzen als sich von der Gesellschaft abzukapseln. Und sie haben keine - zumindest keine für sie befriedigenden - spirituellen Erfahrungen sammeln können, keine angemessenen Angebote bei der Beschäftigung mit der Sinnfrageerhalten. All dies sind Punkte, über die es sich nachzudenken lohnt, bevor die Satanisten in den Mittelpunkt der Kritik rücken. Denn nichtihre Weltanschauung selbst ist die Krankheit; sie ist vielmehr das Symptom tiefer liegenderProbleme. i.kreutz@volksfreund.de

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