Trauriges Jubiläum

Wollten die Vereinigten Staaten der Europäischen Union beitreten, Brüssel dürfte nicht einmal Vorgespräche für Beitrittsverhandlungen aufnehmen. Wer einen Platz in der Europäischen Wertegemeinschaft will, muss vorher die Todesstrafe abschaffen.

Die USA hätten sich, was diese Stufe der Zivilisation angeht, hinter Rumänien und der Türkei anzustellen. Tausend Exekutionen: Das ist ein in jeder Hinsicht trauriges Kapitel. Nicht nur, wenn man jene 70 Fälle ins Kalkül zieht, in denen sich endgültig rechtskräftig verhängte Todesurteile als Justizirrtümer herausgestellt haben - man mag an die Dunkelziffer gar nicht denken. Manche der unter staatlicher Obhut Getöteten waren minderjährig, andere - zumindest nach mitteleuropäischen Maßstäben - nicht schuldfähig. Manche haben zwanzig Jahre in der Todeszelle gesessen, bevor man sie umbrachte. Das kann man eine Art von Folter nennen. Zwanzig Jahre im Gefängnis: Das ist bei uns die höchste denkbare praktizierte Strafe, zumindest, wenn vom Täter keine Bedrohung mehr ausgeht. In "God's own Country" gibt's die Giftspritze oder den elektrischen Stuhl obendrauf. Das kann man eine Art von öffentlich sanktioniertem Mord nennen. Den vielen Amerikanern, die diesen Überrest der Barbarei ablehnen, ist zu wünschen, dass sie stark genug werden, um das nächste "Jubiläum" zu verhindern. Es waren die amerikanischen Bischöfe, die in klaren Worten darauf hingewiesen haben, dass das Gebot "Du sollst nicht töten" auch für eine Gesellschaft gilt. Er wird nicht aufgehoben durch noch so abscheuliche und verurteilenswerte Taten. Die Todesstrafe bringt weder das Opfer zurück noch konnte ihr jemals eine zählbare abschreckende Wirkung nachgewiesen werden. Es gilt der Satz des überzeugten Todesstrafen-Gegners Johannes Paul II.: "Die moderne Gesellschaft hat die Mittel, Verbrechern die Handlungsmöglichkeiten zu entziehen, ohne ihnen die Chance auf Besserung zu nehmen." d.lintz@volksfreund.de

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