Trinken bis zum Umfallen

BERLIN. Die Bundesregierung schlägt Alarm: Immer mehr Kinder und Jugendliche trinken exzessiv Alkohol. "Koma-Trinken” ist anscheinend zu einem Jugendsport geworden.

Die positive Nachricht präsentierte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk (SPD), gestern zuerst: Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist im letzten Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1989 gesunken. 1477 Menschen starben infolge des Konsums illegaler Rauschmittel, ein Rückgang um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die schlechte Nachricht kam dann allerdings gleich hinterher: In den Jahren 2000 bis 2002 wuchs die Zahl der mit Alkoholvergiftungen in Krankenhäuser eingelieferten Jugendlichen in acht Bundesländern um satte 26 Prozent auf 6776. Eine repräsentative Stichprobe in 17 Hospitälern bundesweit ergab allerdings den selben prozentualen Trend für die gesamte Republik. "Besonders erschreckend”, so Caspers-Merk bei der Vorstellung des neuesten Drogen- und Suchtberichtes der Regierung, "ist die Entwicklung bei den zehn- bis 17-Jährigen Mädchen”. Während ihr Anteil an der Gesamtzahl der Alkoholvergiftungen im Jahr 2000 noch bei rund einem Drittel lag, war 2002 jeder zweite Jugendliche weiblich, der sich bis zum Umfallen betrunken hatte. Daraus folgt, dass legale Drogen wie Alkohol und Tabak der Regierung inzwischen fast noch mehr Sorgen machen als illegale Rauschmittel, wie aus dem Bericht hervorgeht. Allerdings, so Caspers-Merk, dürften dennoch die Gefahren besonders durch Cannabis-Produkte (Haschisch) nicht bagatellisiert werden. Cannabis sei die am meisten konsumierte illegale Droge hier zu Lande: In Befragungen gaben 14,3 Prozent der zwischen 18- und 34-Jährigen an, in den letzten zwölf Monaten "gekifft” zu haben. Über 10 000 Jugendliche, so die Drogenbeauftragte, seien mittlerweile aufgrund der Folgen in ärztlicher Behandlung. "Viele haben große psychische Probleme bis hin zur Schizophrenie”, warnte Caspers-Merk.Rauchen bleibt Killer Nummer eins

In der Debatte über die Risiken von harten und weichen Drogen werde zu oft übersehen, dass es vor allem um die Konsummuster gehe - "und die harten Muster nehmen bei den Jugendlichen zu”. Insgesamt falle die weitaus größte Zahl von Todesfällen weiterhin auf das Rauchen (110 000 Tote). Schulen sollten zur Prävention daher komplett zu Nichtraucherzonen werden, nicht zu qualmen müsse "der Normalfall werden”, warb Caspers-Merk. Laut Bericht ist der Anteil der Raucher an der Bevölkerung aber leicht rückläufig, von 37 Prozent in 1997 auf 34 Prozent in 2003. Bei Jugendlichen hingegen sei "der Trend genau umgekehrt” - der Glimmstängel ist beliebt wie nie. Leicht erschwingliche Kleinpackungen bei Zigaretten werden deswegen bald verboten. 40 000 Bundesbürger sterben laut Caspers-Merk pro Jahr an Alkoholmissbrauch. Dennoch greift der Nachwuchs mehr denn je zur Flasche: "Die steigende Tendenz bei Jugendlichen mit exzessiven Trink-Erfahrungen zeigt, dass die Sonderabgabe für "Alcopops” richtig ist", meinte die Staatssekretärin. Die Bundesregierung hat nämlich zum Ärger der Getränkewirtschaft bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Kennzeichnungspflicht "ab 18” auf dem Etikett der süßen Mixturen aus Schnaps und Limonade vorsieht und durch den die Getränke vor allem mit einer deftigen Sondersteuer belegt werden. Allein der Absatz der "Alcopops” stieg von 2001 bis 2002 um 325 Prozent. Mit der Erhöhung des Flaschenpreises hofft die Koalition nun, die Verfügbarkeit von Alkohol für die Taschengeld beziehenden oder nur wenig verdienenden Teenager zu erschweren.

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