Üble staatliche Masche

Dass die Türkei ein attraktives Reiseland ist, hat sich in den vergangenen Jahren auch in Deutschland herumgesprochen. Die Bettenburgen in Alanya, Belek oder Bodrum sind Zeichen einer blühenden Tourismus-Industrie. Aber es sind nicht nur die Strände und das klare Wasser, die das orientalischste Land Europas auszeichnen. Die türkische Mittelmeerküste ist auch ein Paradies für Geschichtsinteressierte. Allerdings kann die Tatsache, dass archäologische Fundstücke quasi auf der Straße herumliegen, für Touristen fatale Folgen haben. Denn die Regierung in Ankara hat vor einigen Jahren ein Gesetz verabschiedet, das den Schmuggel von Antiquitäten unter hohe Strafen stellt. Das ist natürlich sinnvoll, denn ein Land kann ja schlecht zusehen, wie seine Geschichte regelrecht geplündert wird. Eine andere Frage ist aber die Auslegung: Wie soll der gutgläubige Urlauber auf die Idee kommen, dass ein am Strand gefundener Stein oder ein für zwei Euro im Basar gekaufter Kerzenständer antik sein könnten? Tatsache ist, dass an den Flughäfen strenge Kontrollen herrschen. Wird etwas Verdächtiges gefunden, urteilt ein Sachverständiger vor Ort, ob es Schmuggelware ist. Geht der Daumen des Beamten nach oben, heißt es für den "Delinquenten": Ab in den Knast. Dort bleibt er bis zum Termin vor Gericht, wo er in der Regel schuldig gesprochen wird. Und irgendwann darf er nach Hause - gegen Kaution, versteht sich, in der Regel zwischen 5000 und 10 000 Euro. Mindestens sieben deutsche Urlauber haben in diesem Jahr bereits diese äußerst unangenehme Erfahrung mit der türkischen Justiz machen müssen. Da liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine üble Masche handelt. Sie ist zwar vom Gesetz gedeckt, dient aber auch der staatlichen Geldbeschaffung. Im Falle der Familie aus Münter ist es gestern ausnahmsweise gut gegangen, was auch auf den öffentlichen Rummel zurückzuführen war. Normal ist das aber nicht. s.laemmle@volksfreund.de

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