Und das ist gut so

"Wie schwul ist Deutschland?", titelte gestern "Bild" mit scheinheiliger Überraschung. Zuvor hatte man mit dem Outing von Guido Westerwelle das bestgehütete Geheimnis aller Comedy-Shows der letzten fünf Jahre gelüpft.

Wie schwul ist Deutschland? So schwul wie eh und je. Nur, dass die Betroffenen nicht mehr ermordet werden wie vor sechzig, nicht mehr eingebuchtet werden wie vor vierzig und nicht mehr stigmatisiert werden wie noch vor 20 Jahren. Dank Lindenstraße, Rosa von Praunheim und "Das ist gut so"-Wowereit haben sie keinen Grund mehr, sich zu tarnen. In Hamburg gewinnt man schon Wahlen, weil man nicht dementiert, dass man homosexuell ist. Wir Nicht-Schwulen müssen uns mit der wissenschaftlichen Erkenntnis anfreunden, dass jede/jeder Fünfzehnte das eigene Geschlecht präferiert. Wer will, kann ja schon mal abzählen: in der Nachbarschaft, in der Disco - oder im Kirchenchor. Die Wege des Herrn sind schließlich unerforschlich, und die Launen der Natur machen vor niemandem Halt. Aber die Rache folgt auf dem Fuß. Bisher galten Schwule als tolerant, weltgewandt und spannend. Nach der Entmystifizierung wird sich herausstellen, dass sie genau so spießig, langweilig und konservativ sind wie alle anderen. Irgendwann wird ein Homo-Innenminister mit harter Hand jene Strafverschärfungen durchsetzen, an die sich nicht mal Otto Schily heran getraut hat. Und wenn der erste bekennend schwule CSU-Kleinstadtbürgermeister die Christopher-Street-Parade wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung untersagt - dann herzlich willkommen in der "Normalität". d.lintz@volksfreund.de

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