Und rollt. Und rollt. Und rollt.

Schmiergeld, Sex und Lustreisen. Tarnfirmen, dunkle Geschäfte und Kungelei. Bestechliche Betriebsräte, ahnungslose Vorstände und empörte Politiker. Der Volkswagen-Konzern produziert derzeit mehr Gerüchte als Autos.

Schmiergeld, Sex und Lustreisen. Tarnfirmen, dunkle Geschäfte und Kungelei. Bestechliche Betriebsräte, ahnungslose Vorstände und empörte Politiker. Der Volkswagen-Konzern produziert derzeit mehr Gerüchte als Autos. Täglich neue Verdachtsmomente und hanebüchene Enthüllungen. Untreue? Betrug? Korruption? Bewiesen ist nichts. Spekulationen, Verleumdungen, Vorwürfe. Das Unternehmen gerät ins Schleudern. Die Affäre rollt. Und rollt. Und rollt. Am Steuer ein Autopilot, der das in solchen Fällen übliche Programm abspult: Drei-Affen-Taktik = nichts sehen, nichts hören, nichts sagen... Umfängliche Dementi = verneinende Bestätigung von Nachrichten, die bisher lediglich Gerüchte gewesen sind... Salami-Strategie = scheibchenweise zugeben, was sich nicht länger verheimlichen lässt... Betroffenheits-Metaphorik = wir hätten nie gedacht, dass so etwas passieren kann... Bauernopfer = der König lässt Fußtruppen, im Notfall auch einige Offiziere über die Klinge springen... Just an diesem Punkt ist VW angelangt. Der einst mächtige Betriebsratschef Volkert ist abgetaucht, der alerte Manager Schuster gefeuert. Viele andere kämpfen ums Überleben wie Schiffbrüchige um einen Platz auf dem Rettungsfloß. Längst geht es nicht mehr um Amigos und Spesenritter. Oder um die Frage, ob Betriebsräte sich vom eigenen Vorstand schmieren ließen und als "Gegenleistung" unpopuläre Entscheidungen abnickten. Ins Zentrum der Affäre rückt vielmehr die politische Dimension: Top-Manager, Gewerkschafter und SPD-Politiker haben bei VW offenbar über Jahrzehnte ein feines Netz aus gegenseitigen Abhängigkeiten geflochten. Nun wittert die Konkurrenz aus dem konservativen und liberalen Lager eine Chance, den vermeintlichen roten Filz zu zerfetzen – und gleichzeitig eine Symbolfigur zu demontieren: Peter Hartz, den bekanntesten Personalchef der Republik und geistigen Vater der Reformgesetze Hartz eins bis vier. Wenn der Mann von möglichen Machenschaften bei VW wusste, kann er abdanken – und seine Ideen mit ihm. Seine Glaubwürdigkeit wäre dahin, das Vertrauen verspielt. Trübe Aussichten auch für den Auto- und Agenda-Kanzler Gerhard Schröder, der im Wahlkampf gerne mit dem einst so schnittigen Hartz-Modell durchs Land gebraust wäre. Aber: Der Lack ist ab, die Reifen sind platt, ein kapitaler Motorschaden droht – denn die VW-Affäre rollt. Und rollt. Und rollt. p.reinhart@volksfreund.de

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