Unwürdige Realität

Das unwürdige Geschacher um die von Düsseldorf nach Wittlich abgeschobene Seniorin zeigt symptomatisch, wie es um die Altenpflege in Deutschland bestellt ist: Es geht nicht mehr um die Menschen, es geht schlichtweg nur noch ums Geld.

Auf der einen Seite die Altenheimbetreiber, die zumeist nur dem Namen nach "gemeinnützig" sind. In Wirklichkeit wollen sie mit und an den Alten verdienen. Altenpflege ist ein Geschäft. Die Pfleger in den Heimen müssen Unmenschliches leisten. Immer weniger Personal ist für immer mehr Bewohner zuständig. Pflegen wird zur Fließband-Arbeit. Massenabfertigung ist in vielen Altenheimen an der Tagesordnung. Für persönliche Zuwendung ist keine Zeit, dafür werden die Mitarbeiter nicht bezahlt. Auf der anderen Seite stehen die Kostenträger. Zum einen die Krankenkassen, die die Pflege bezahlen sollen. Pflegestufen werden nicht mehr nach der tatsächlichen Hinfälligkeit der Bedürftigen eingeteilt, sondern nach dem Aufwand und denKosten für die Pflege. Und dann sind da noch die Kommunen, die für die Sozialhilfe zuständig sind. Angesichts leerer Kassen weigern sie sich mit Händen und Füßen, nur einen Cent mehr für einen Menschen auszugeben. Die Betreuung von Alten wird nur noch unter Kostengesichtspunkten betrachtet. Und irgendwo zwischen den beiden Parteien steht völlig hilflos der, um den es eigentlich geht: der alte Mensch. Sein Schicksal interessiert nicht wirklich. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch die von Pflegebedürftigen. Doch die wird von Heimbetreibern und Kostenträgern zunehmend mit Füßen getreten. Wird das Geld nicht bezahlt, setzt man die Alten einfach vor die Tür. Kommunen streiten bis aufs Messer um die Sozialhilfe, egal ob man damit den Pflegebedürftigen oder Alten an den Rand des Ruins bringt. So etwas ist menschenunwürdig. Aber bundesdeutsche Realität. b.wientjes@volksfreund.de

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