Verhindern oder segnen

WarJesus eigentlich katholisch oder evangelisch? Wen lud derErfinder des Christentums zum "Abendmahl" ein? Wen schloss eraus? Hielt er es wirklich für entscheidend, dass in "seiner"Kirche ein Priester die immer gleiche Formel murmelt, um Brot undWein in den Leib und das Blut Jesu zu verwandeln - so diekatholische Lesart? Oder hätte der Mann, der für seinen Glaubenstarb, auch eine symbolische Deutung des Abendmahls akzeptiert -so die evangelische Sichtweise? Es wäre ihm wohl egal gewesen. Als Jesus, den heutzutage viele für den Helden eines Buches halten, das Bibel heißt, vor zweitausend Jahren eine sozial-revolutionäre Glaubensbewegung begründete, wollte er die Welt verändern. Eine Welt voller Hass und Gewalt, voller Not und Elend, voller Leid und Trübsal. Dagegen setzte er sein Programm der Nächstenliebe, des Friedens, der Barmherzigkeit.

Was hat die Menschheit daraus gemacht? Nichts.

Die Welt ist noch immer voller Hass und Gewalt, voller Not und Elend, voller Leid und Trübsal. Und voller Streit - nicht zuletzt darüber, welcher Gott der Richtige ist. Überall auf dem Globus prügeln Religions-Eiferer aufeinander ein - mit Worten, mit Waffen. Der Fundamentalismus gefährdet den Frieden auf Erden mehr denn je.

Und die Kirchen in Deutschland? Ihnen laufen die Gläubigen in Scharen davon, die Gotteshäuser sind gähnend leer. Warum? Weil das Leben der Moderne säkularisiert ist? Weil es keinen "Bedarf" mehr für Glauben und Heilslehren gibt? Nein. Gerade in Zeiten, die mitunter Weltuntergangs-Stimmung verbreiten, dürstet es viele Menschen nach Sinnstiftung - aber nicht in starren, verknöcherten Riten, sondern in lebendiger, alltagstauglicher Form.

Darin versuchen sich Bewegungen wie "Kirche von unten" oder "Wir sind Kirche". Engagierte Christen, denen es nicht wichtig ist, ob sie der Schublade "katholisch" oder "evangelisch" zugeordnet werden. Ihr Ziel: die Wiedervereinigung des Christentums. Um die Mauern (in den Köpfen) einzureißen, planen sie den Tabu-Bruch: ein gemeinsames Abendmahl beimersten ökumenischen Kirchentag Ende Mai in Berlin. Für die Erneuerer der Fall eines Symbols der Spaltung, für konservative Kirchenmänner wie Johannes Paul II. eine Sünde. In seiner jüngsten Enzyklika untersagt der Stellvertreter Christi die "offene Kommunion". Wer mitmacht, fliegt aus der katholischen Kirche.

Einmal mehr erweist sich der polnische Papst als stur und unbeweglich. Es wäre auch - Verzeihung - ein Wunder gewesen, hätte er sich anders geäußert. Kein gemeinsames Abendmahl, keine Schwangerenberatung der Kirche, keine Frauen als Priester - in der Ablehnung des Neuen bleibt Johannes Paul konsequent.

Seine Argumentation ist - theologisch - durchaus nachvollziehbar. Dass sich seine "Schäfchen" aber für intellektuelle Klimmzüge begeistern, die an Begriffen wie "Transsubstantiation", "apostolische Sukzession" oder "Interkommunion" aufgehängt sind, scheint zweifelhaft. Das Christentum braucht für das dritte Jahrtausend eine Perspektive, die über die bürokratische Verwaltung des Althergebrachten hinausgeht.

Auf eine neue Vision hoffen viele Christen, daran glauben sie, dafür setzen sie sich ein - und für die Veränderung "von unten". Der Schriftsteller Kurt Tucholsky sagte: Was die Kirche nicht verhindern kann, das segnet sie.

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