Vermächtnis eines Liberalen

Er war kein Mann der lauten Töne. Und wenn Hermann Josef Spital in den zwei Jahrzehnten seines Wirkens im Bistum Trier zum beliebten "Volksbischof" geworden ist, dann nicht mit jovialem Auftreten, markigen Sprüchen und krachledernen Argumenten.

Das war ihm nicht in die Wiege gelegt, und das hätte auch nicht zu dem Menschenschlag gepasst, der zwischen Eifel und Hunsrück, Mosel und Saar das älteste Bistum Deutschlands bevölkert. Auf die Menschen - und nicht nur die katholischen - ist Hermann Josef Spital als Bischof von Anfang an anders zugegangen: mit einer weit reichenden, vorurteilsfreien Offenheit und mit Respekt vor der Meinung anderer. Das hat ihn nicht am offenen Wort gehindert. Da musste zuweilen genau hingehört und auch zwischen den Zeilen geforscht werden, aber es kristallisierte sich doch eine ganz klare bischöfliche "Linie" heraus, mit der Spital seine Diözese geleitet und auch außerhalb von Trier Pflöcke gesetzt hat. Es ist schnell auf den Punkt gebracht, was Spital im Konzert der Bischöfe und im innerkirchlichen Disput vor anderen auszeichnete, seinen Episkopat prägte - und nun zu betrauern ist: Er war ein Mann des Konzils, ein Verfechter der Ökumene und eine liberale Stimme im teils konservativ-verhärteten innerkirchlichen Dialog. Und wer beobachtet, was sich in allen drei Bereichen zurzeit (nicht) tut, der wird besonders traurig am Sarg des früheren Oberhirten stehen. Wenn heute auf das (Zweite Vatikanische) Konzil rekurriert wird, dann eher im Sinne von Rückbesinnung auf (vorkonziliare) Traditionen und liturgische Praxis - die von einem Papst Johannes XXIII. geforderte und praktizierte Öffnung der katholischen Kirche zur Welt hin wird da eher als schon zu weit gegangen betrachtet. Zur Ökumene: Die Zeiten, in denen ein Bischof Hermann Josef Spital und ein evangelischer Präses Peter Beier einen regelmäßigen, offenen und intensiven Gedankenaustausch führten, liegen in weiter Ferne. Und die innerkirchliche Entwicklung scheint zurzeit - ohne den zahlreichen Frauen und Männern Unrecht oder wehtun zu wollen, die sich Tag um Tag nach Kräften mühen - der liberalen Handschrift beraubt. Wahrlich traurige Bestandsaufnahmen am Todestag eines Alt-Bischofs, der mit leiser Stimme, aber doch energisch und beharrlich deutlich machte, dass es nie darum gehen darf, bloß kirchliche Gesetze zu befolgen und die eigene Herde gegenüber Anfechtungen von außen in Schutz zu nehmen oder gar abzuschotten, sondern darum, aus dem eigenen Glauben heraus vorbehaltlos auf andere zuzugehen, Verbindungen zu knüpfen und gemeinsame Schritte zu wagen. Das hat Spital immer wieder getan und sich damit im Lauf der Jahre zunehmend ein Image erworben, das er persönlich ganz und gar nicht anstrebte, nämlich: ein liberaler oder gar ein im besten Sinne des Wortes "linker" Bischof zu sein. Mehr als ein halbes Jahrzehnt nach seinem Abschied vom Amt und nun, da er tot ist, werden etliche damit verknüpfte Erlebnisse schmerzlich vermisst: der Mut, über den Zwang zum Zölibat für katholische Priester zu diskutieren, über die Rolle der Frauen in der Kirche einschließlich eines Frauenpriestertums nachzudenken oder einen zutiefst seelsorgerischen, menschlichen Umgang mit wieder verheirateten Geschiedenen einzufordern. All das wird hoffentlich nicht mit Hermann Josef Spital beerdigt werden. Und wenn es so wäre, so gilt auch das einem gläubigen Katholiken nicht als für immer und ewig. Denn nach dem Tod - so lautet die Glaubensbotschaft - geht es weiter. Und was kann am Grab von Bischof Spital sinnvoller und angebrachter sein, als sich seines Vermächtnisses neu bewusst zu werden und - wie der Verstorbene - immer wieder Vertrauen zu schöpfen und gläubig zu neuen Ufern aufzubrechen? m.pfeil@volksfreund.de

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