Vermittlungs-Tourismus

Im explosiven Nahen Osten werden sich in dieser Woche aufgeschreckte Diplomaten aus aller Welt tummeln wie sonst nur deutsche Touristen am Strand von Mallorca. Doch während die meisten Urlauber ihr Ziel - Erholung - gewiss erreichen dürften, stehen die Erfolgsaussichten im Bemühen um eine Waffenruhe und einen dauerhaften Frieden in der Krisenregion weitaus schlechter.

Ob Kofi Annans Gesandte, EU-Krisenmanager Solana, Minister Steinmeier oder Bushs Chef-Diplomatin Condoleezza Rice: Sie alle haben gleich gegen mehrere Fakten zu kämpfen, die gegen ein schnelles Schweigen der Waffen sprechen - von einer Aussöhnung der Konfliktparteien ganz zu schweigen. Auf der einen Seite stehen die israelischen Interessen. Die Erfahrungen der jüngeren Geschichte waren bitter: Der vollständige Rückzug aus dem Libanon wie auch dem Gaza-Streifen wurden als Zeichen der Schwäche ausgelegt und von Hamas wie Hisbollah mit Attacken und Entführungen "belohnt". Hinzu kommt, dass die israelische Regierung sich eine der Hauptthesen von George W. Bush ins Stammbuch geschrieben hat: Seit dem 11. September 2001 behauptet dieser nämlich, keinen Unterschied mehr zwischen Terroristen und Regimen, die diese beherbergen, zu machen. Einen guten Grund, die gerade begonnene Land-Offensive wieder abzubrechen, gibt es für die Regierung in Jerusalem trotz der kritischen Töne vor allem aus Europa also nicht. Auf der anderen Seite steht die Hisbollah, deren Existenzgrundlage der bewaffnete Kampf gegen Israel und auch amerikanische Interessen ist. Über 240 US-Marinesoldaten starben 1983 bei einer Hisbollah-Attacke - kein Wunder also, dass geschichtsbewusste amerikanische Hardliner heute die israelische Offensive durchaus mit Wohlwollen sehen. Das alles lässt nichts Gutes erwarten für den derzeitigen regen Vermittlungs-Tourismus. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt zudem, dass manchmal militärische Konflikte angesichts der starren Haltung aller Beteiligten nicht nur unausweichlich und unvermeidbar sind, sondern am Ende auch die Wirkung eines reinigenden Gewitters haben können. Eine Zerschlagung und Entwaffnung der Hisbollah würde am Ende nicht nur mehr Sicherheit für Israel bedeuten, sondern könnte gleichzeitig auch den Grundstein für langfristige politische Stabilität im Libanon legen. nachrichten.red@volksfreund.de

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