Verschaukelte Zuschauer

Die Schleier werden gelüftet: Seit Monaten wird bereits gemunkelt, dass die Privatsender-Riesen RTL und Pro-Sieben-Gruppe ihre digitalen Programme verschlüsseln und dafür kassieren wollen. Jetzt wird klar, dass es sich dabei um weit mehr als nur um Gerüchte handelte.

Die Gespräche mit dem Luxemburger Satellitenbetreiber SES sind bereits weiter gediehen, als bisher bekannt. Die Entwicklung der Technik ist so gut wie abgeschlossen, das Betzdorfer Unternehmen steht in den Startlöchern für die von Zuschauern finanzierte digitale Zukunft. Und dabei nutzt es seine Stellung aus. Kein Sender, der mit der Verschlüsselung Geld verdienen und das Minus durch die Werberückgänge wett machen will, kommt an dem Platzhirsch aus Luxemburg vorbei. Und genau darin liegt das Problem. SES würde mit den Privatfernseh-Gebühren eine marktbeherrschende Position erlangen. Ein klarer Fall fürs Kartellamt. Bedenklich ist diese Entwicklung aber auch aus anderer Sicht. Schüssel-Besitzer fühlen sich zu Recht verschaukelt. Bislang war der Satelliten-Empfang die preiswertere Alternative zum Kabel, spätestens nach einem Jahr haben sich die laufenden Kosten gegenüber dem Kabelfernsehen aufgehoben. Nun sollen die Zuschauer von werbefinanzierten (!) Sendern noch dafür bezahlen, dass sie Reklame schauen dürfen, und das zusätzlich zu den ohnehin schon happigen Rundfunkgebühren. Im Umkehrschluss könnten ARD und ZDF ihren ohnehin zunehmenden Druck noch weiter erhöhen, das (zumindest offiziell noch geltende) Werbeverbot nach 20 Uhr endlich aufzuheben. SES hebelt mit dem Modell das duale System, das Nebeneinander von privaten (werbefinanzierten) und öffentlich-rechtlichen (größtenteils gebührenfinanzierte) Sendern, aus - falls die Zuschauer die Entwicklung mitmachen. b.wientjes@volksfreund.de

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