Viel Glück!

Zum Jahreswechsel werden sich die Menschen, nach gutem altem Brauch, "viel Glück” für das neue Jahr wünschen und einander zuprosten. Eine schöne Geste, aber auch ein archaiches Bedürfnis, in dem eine vage Hoffnung und der Glaube an eine überirdische Kraft zum Ausdruck kommen.

Doch jenseits allen Gottvertrauens: Auch im Jahr 2005 werden sich die himmlischen Mächte nicht beeinflussen lassen. Der Mensch ist und bleibt selbstverantwortlich für seine Gedanken, Worte und Werke - und für seine Fehler und Versäumnisse. Der Jahreswechsel ist überschattet von den apokalyptischen Geschehnissen in Südostasien. Sie machen sprachlos und bewirken das Gefühl der Ohnmacht, aber sie wecken auch Solidarität und Hilfsbereitschaft. In dieser Hinsicht haben sich die Verantwortlichen in Deutschland vorbildlich verhalten. Es ist die Entscheidung jedes einzelnen Bürgers, ob und in welcher Weise er sich an dieser Nothilfe auch persönlich beteiligt. Doch das Leben - eine banale Erkenntnis - geht weiter. In Deutschland mit einer Fülle von Neuerungen und Reformen, die das Land verändern werden. Die Chiffre dafür heißt "Hartz IV”, die umfassendste Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Republik. Die Bundesregierung hofft, dass mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum "Arbeitslosengeld II” ein Bewusstseinswandel einher geht. Die Menschen sollen begreifen, dass der Staat nicht alle Risiken des privaten Lebens absichern kann. Ob diese Botschaft überall verstanden wird, ist ungewiss. Bundespräsident Horst Köhler traut den Bürgern jedenfalls zu, diesbezüglich "schon weiter zu sein als die Politik”. Was kommt noch? Nun, die Maut für Lkw auf deutschen Autobahnen startet. Kaum zu glauben nach dem Dauer-Chaos in der Vorbereitung. Ferner tritt das Zuwanderungsgesetz in Kraft. Es regt niemanden mehr auf, nachdem sich die politischen Streithähne jahrelang ineinander verbissen hatten und im Zustand der Erschöpfung einen müden Kompromiss vereinbarten. Schließlich wird die dritte Stufe der Steuerreform gezündet - und wohl verpuffen. Denn für die Masse der Menschen ist die Entlastung so gering, dass sie von den höheren Gesundheitskosten (Zahnersatz, Krankengeld) wieder aufgefressen wird. Ganz wichtig die kulturellen Höhepunkte des Jahres 2005, weil sie positive Impulse geben, das geistige Niveau einer Nation heben können und die tröstliche Gewissheit vermitteln, dass Leben mehr ist als Arbeit, Ärger und Katastrophen. Wir feiern das Jubiläumsjahr des Jahrhundert-Genies Albert Einstein, ebenso das des Dichterfürsten Friedrich Schiller. Zugleich ist 2005 aber auch das Jahr des Gedenkens, des Erinnerns an das Ende des Holocaust und des Weltkriegs vor 60 Jahren. Es, wird vermutlich kein leichtes Jahr. Aber vielleicht wird es, trotz allem, ein gutes Jahr. nachrichten.red@volksfreund.de

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