Von unruhiger Hand geplant

BERLIN. Kanzleramtschef Walter Steinmeier hat gestern "20 Maßnahmen zur Fortsetzung der Agenda 2010" vorgestellt. Außerdem warnte er die Union vor "Absetzbewegungen".

Wenn der Strippenzieher des Kanzleramtes nach sechs Jahren im Amt zu seinem ersten Soloauftritt in die Bundespressekonferenz kommt, dann steckt dahinter mehr als nur die Vorstellung des Zeitplans zur Umsetzung der von Regierung und Opposition vereinbarten Jobreformen. Frank Walter Steinmeier, 49, Kanzleramtschef, engster Vertrauter von Gerhard Schröder, verlängerter Arm seines Herren, die graue Eminenz der Bundesregierung also, gab sich gestern in Berlin die Ehre. "20 Maßnahmen zur Fortsetzung der Agenda 2010" hatte er im Gepäck, die das Bundeskabinett bis Mitte Mai angehen will. Man habe es für sinnvoll gehalten, erklärte der ansonsten scheue Steinmeier, dass er als Chef des Kanzleramtes die Aufgabe der Präsentation übernehme. Der Auftritt des Mannes mit dem Überblick sollte aber vor allem eines verleihen: Nachdruck. Gerhard Schröder fürchtet, dass der Teil seines Maßnahmenbündels zur Konjunkturbelebung, den die Regierung ohne Hilfe der Union durchsetzen kann, weiterhin schmählich unbeachtet bleibt. Nur noch wenige Wochen bleiben bis zur wichtigen Wahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai, und die Visa-Affäre des Außenministers, der vermeintliche Streit zwischen Schröder und Fischer über das EU-Waffen-Embargo gegen China oder das Hickhack mit der Union um die Unternehmenssteuerreform haben die anderen Wachstumsspritzen aus Schröders Regierungserklärung von Mitte März verblassen lassen. Steinmeiers Audienz sollte daher nach außen zeigen, wie ernst es dem Kanzler doch ist – und zugleich als eindruckvolles Signal an die Opposition verstanden werden. Der einflussreiche Kanzleramtschef warnte deshalb gestern die Union vor "Absetzbewegungen" und appellierte eindringlich, sich rasch auf die Steuersenkungen für Konzerne zu einigen. Die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 19 Prozentpunkte "muss mit deutlichem Abstand zum 1. Januar 2006" verbindlich entschieden werden. Kommenden Freitag fallen dazu beim Gespräch der Finanzminister die ersten Würfel. Der Zeitplan, den Steinmeier zur Umsetzung der Jobreformen und zur Wachstumsbelebung vorlegte, ist straff, von ruhiger Hand ist da keine Spur mehr: Am 15. April wird Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) mit dem Unions-Arbeitsmarktexperten Karl-Josef Laumann (CDU) über die Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz IV-Empfänger sprechen. Zwei Tage zuvor plant die Bundesregierung, zwei Verordnungen zum Energiewirtschaftsgesetz zu verabschieden, damit die Energieunternehmen 20 Milliarden Euro in die Erneuerung der Netze und den Ausbau der Kraftwerke investieren können. Eine Woche später dann schlägt die Stunde von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD): Er wird das vom Kanzler angekündigte Verkehrs-Investitionsprogramm in Höhe von zwei Milliarden Euro präsentieren. Jeweils zur Hälfte sollen die Mittel in die Schiene und in die Straße fließen. Darüber hinaus will das Kabinett über 300 Verordnungen streichen sowie mit der Wirtschaft (analog dem Ausbildungspakt) ein Abkommen für ältere Arbeitslose eingehen. Die Regierung lote zudem Maßnahmen gegen Lohndumping und Missbrauch von Dienstleistungsimporten aus, so Steinmeier – "alles Punkte, die wir auf die Hörner nehmen müssen", meinte er zusammenfassend.

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