Vor dem Offenbarungseid

Die Welthat gestern die letzten Zuckungen einer internationalenDiplomatengemeinschaft erlebt, die vor einem Offenbarungseid undsomit einer der größten Niederlagen der jüngeren Geschichtesteht. Denn dass ein Krieg gegen den Irak beschlossene Sache ist,daran kann angesichts der klaren Worte von US-Präsident Bush undder weit auseinanderliegenden Interpretation der gestrigenWaffeninspektoren-Berichte kein Zweifel mehr bestehen. Selbst eine Neuformulierung des letzten Resolutionsentwurfs, die gestern im Gespräch war und Bagdad zum x-ten Mal eine "letzte" Frist zur freiwilligen Abrüstung geben könnte, dürfte angesichts der zögerlichen Kooperation Saddam Husseins und der Entschlossenheit Bushs einen Waffengang nicht mehr abwenden können.

Dass die vergangenen Monate des Debattierens aus Sicht derer, die den Frieden bewahren wollen, somit weitgehend nutzlos ins Land gegangen sind, liegt nicht nur am von Anfang an auf Machtwechsel fixierten US-Präsidenten, der von messianischem Eifer getrieben von der Befreiung des irakischen Volkes und der kollektiven Demokratisierung der arabischen Welt träumt. Sowohl den kritisch eingestellten Nationen wie Deutschland oder Frankreich, aber auch den UN-Chefinspektoren ist es zuletzt primär um Kriegsvermeidung gegangen - was im Rückblick gesehen deshalb der falsche Ansatz ist, weil er die schnelle Abrüstung und Vernichtung von Massen-Vernichtungswaffen dieser Priorität immer wieder untergeordnet hat und somit kein maximaler Druck auf Bagdad ausgeübt wurde.

Saddam Hussein dürfte angesichts der ameisenhaft herumirrenden Inspektoren helle Freude empfinden, ersparte ihm doch deren verzweifelte Suche nach Nadeln im Heuhaufen bisher die Erfüllung der Kernpflichten der Resolution 1441: die freiwillige und dazu noch vollständige wie sofortige Offenlegung aller verbotenen Waffen.

Letztlich haben somit diejenigen, die den Frieden stets über alles stellten und damit Hussein lange in scheinbarer Sicherheit gewogen haben, am Ende ausgerechnet jenen Nationen die Begründung für einen Waffengang erleichtert, die allzu gerne darauf hinweisen, dass die ganze Beweislast für eine umfassende Abrüstung wegen der historischen Erfahrungen mit dem notorischen Täuscher-Regime in Bagdad auch bei diesem bleiben muss.

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