Vorteil Kerry

Wenn amerikanische Präsidentschaftsbewerber im Fernsehen debattieren, dann zählt am Ende - das hat jedenfalls die Geschichte gezeigt - mehr die persönliche Aura des Kandidaten als die Substanz des Gesagten.

Diesem Gradmesser folgend drängt sich nach dem ersten von drei Fernseh-Duellen zwischen Amtsinhaber George W. Bush und seinem demokratischen Herausforderer das Fazit auf: Vorteil John Kerry. Stark in die Argumenten, sprachlich elegant und sogar zum Eingeständnis eines Fehlers bereit stellte der Senator deutlich seinen Gegenüber in den Schatten, der gerade beim Schwerpunkt-Thema Irak oftmals Probleme hatte, seine Thesen kraftvoll und überzeugend vorzutragen - und dabei über bekannte wie fragwürdige Plattitüden hinaus zu gehen. So versuchte sich Bush in einer seiner Repliken einmal mehr ungeniert und der Faktenlage widersprechend an einer Verbindung zwischen den Terrorattacken des 11. September 2001 und Saddam Hussein. Ob dieses Schwächeln des in den Umfragen zuletzt teilweise klar vorne liegenden Bush von John Kerry dazu genutzt werden kann, vier Wochen vor der Wahl zum Titelverteidiger aufzuschließen, ist jedoch fraglich. Beide Seiten räumen freimütig ein, dass angesichts einer hochgradig polarisierten Nation die Zahl der unentschlossenen Wechselwähler gering ist. Keiner der beiden will einen schnellen Abzug der US-Truppen aus dem Irak, beide möchten die Sicherheitslage verbessern. Kerry gedenkt hierbei mit dem Argument zu punkten, ihm werde dies schneller als Bush gelingen - doch der Bürger spürt angesichts der Widerstandskraft der Guerillas und Extremisten, dass dieser Plan Kerrys mehr von Wunschdenken als von einer überzeugenden neuen Strategie geprägt ist. So könnte, weil in Krisenzeiten Wähler traditionell Bewährtem zuneigen, Kerrys erster klarer Debattier-Erfolg am Ende nur ein Strohfeuer gewesen sein. nachrichten.red@volksfreund.de

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