Wachstum durch Verzicht

BERLIN. Harte Kritik ist für Finanzminister Hans Eichel (SPD) nichts Neues, seit er vom Sanierer zum Rekordschuldner geworden ist. Nach der Vorlage seines Konsolidierungskonzepts gestern kam es für den Hessen aber besonders heftig.

Finanzminister Hans Eichel brauchte gestern ein dickes Fell: Er sei "vaterlandslos" (FDP-Chef Westerwelle) und lege ein "unwürdiges Treiben" (CDU-Vorsitzende Merkel) an den Tag. Selbst in den eigenen Reihen wurde die Nase gerümpft. Stein des Anstoßes: Der Minister will den Tag der deutschen Einheit künftig am ersten Sonntag im Oktober begehen - ein Feiertag wäre damit passé. "Schnapsidee", schallte es ihm aus der SPD-Fraktion entgegen."Es geht um die Mentalität"

Der Rest seines Konsolidierungspaketes geriet angesichts der Welle der Empörung fast in Vergessenheit. Die Deutschen sollen künftig für die Wiedervereinigung mehr arbeiten. Und dafür, dass der Minister im kommenden Jahr nicht wieder die EU-Defizithürde von drei Prozent reißt und sein Haushalt 2005 verfassungskonform bleibt. Schwierig genug wird das Unterfangen werden: Die Steuerschätzer prognostizierten gestern geringere Einnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro in diesem und 3,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Ursachen sind insbesondere Einbrüche bei der Mineralölsteuer - die Bürger haben wegen der Benzinpreise ihr Fahrverhalten deutlich geändert - und bei der Tabaksteuer; zwei Steuererhöhungen zeigen beim Raucher Wirkung. Insgesamt muss Eichel 2005 eine Lücke von acht Milliarden Euro füllen, denn er benötigt noch 3,5 Milliarden Euro mehr für den Arbeitsmarkt, der erhoffte Bundesbankgewinn fällt überdies um 1,5 Milliarden Euro geringer aus. Auf alles, was in Eichels Haus erdacht wurde, warf das Kanzleramt diesmal einen extrem kritischen Blick. Eichels Paket kann die Länderkammer nicht verhindern. Sollte der Finanzminister nächstes Jahr dennoch zum Defizitsünder werden, wäre die Blamage immens, sein Abgang vielleicht unvermeidbar. Zur Einhaltung der Drei-Prozent-Marke will Eichel für gut fünf Milliarden Euro Forderungen verkaufen, die gegenüber Telekom und Post zur Finanzierung der Pensionen bestehen. Für den Steuerzahler wird dies langfristig teurer werden als neue Schulden. Eine Milliarde Euro soll durch die Verschiebung von Privatisierungen auf 2005 sprudeln, eine weitere Milliarde durch eine zusätzliche globale Minderausgabe der Ressorts. Das garantiert Ärger, denn die Haushalte sind schon auf Kante genäht. Den Rest will der Hesse per Nullrunde im öffentlichen Dienst reinholen - und durch die Verschiebung des Feiertages. Eichel rechnet durch Letzteres mit 500 Millionen Euro zusätzlich nur für den Bund. Das ganze Paket könnte man sich nach Ansicht des Ministers aber sparen, wenn die Union beim Subventionsabbau mitgemacht hätte. Nagelprobe sei aber die Zustimmung im Bundesrat zur Abschaffung der Eigenheimzulage. Bei der Verschiebung des Feiertages geht es ihm nicht allein ums Geld oder um den Wachstumsschub, der ja nur 0,1 Prozent beträgt. Für den ehemaligen Lehrer ist es offenbar auch eine erzieherische Maßnahme für die Deutschen: "Es geht eigentlich um die Mentalität, mit der wir in die Zukunft gehen", sagt Eichel - zu viel Freizeit, zu wenig wird gearbeitet, soll das heißen. Das soll sich ändern. Die Opposition hat sich folgende Taktik zurechtgelegt, um die Genossen unter Druck zu setzen: Stimmt der Bundestag dem Feiertagsplan zu, wird der Bundesrat mit seiner Unionsmehrheit Einspruch einlegen, damit das Parlament dann erneut entscheiden muss.

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