Wahl zwischen zwei Übeln

Was immer die Amerikaner zusammen mit irakischen Sicherheitskräften in Nadschaf tun, sie können allenfalls wählen zwischen zwei Übeln. Geben sie klein bei und überlassen dem Islamisten Muktadar Al Sadr das Feld, werden das alle Radikalinskis am Schad el Arab als Einladung verstehen, Mörsergranaten in die Hand zu nehmen und damit auf die ungeliebten Besatzer zu zielen.

Für die Amerikaner und seinen wahlkämpfenden Präsidenten ist Rückzug also keine realistische Option. Also gehen die GIs den harten und gewaltsamen Weg, für den es aus US-Sicht militärisch und politisch gute Gründe gibt. Viel zu lange haben sie diesen wirren Westentaschen-Ajatollah hetzen und hantieren lassen. Die Lage im Irak ist nicht zuletzt deshalb weitgehend außer Kontrolle. Sehr spät wird jetzt reagiert, denn nicht erst seit gestern ist bekannt, dass Zusagen El Sadrs in etwa soviel wert sind wie künftige Bekenntnisse Osama bin Ladens zur Demokratie. Doch auch der gewaltsame Weg birgt für die US-Truppen und die irakische Regierung schwere Risiken. Militärisch sind diese Streitkräfte den muslimischen Fanatikern haushoch überlegen. Das mag zwar die Generäle beruhigen, bietet aber keine Garantie für einen Erfolg. Denn vor Ort stellen sich die Dinge anders dar. Sollten bei den Kämpfen in Nadschaf die heiligen Stätten der Schiiten schwer beschädigt oder gar zerstört werden, hätte das wohl unweigerlich eine Solidarisierung aller Schiiten im Irak mit Al Sadr zur Folge. Das wäre das Ende der amerikanischen Präsenz, denn gegen die Bevölkerungsmehrheit könnte auch die Weltmacht nichts ausrichten. Zumal es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass der Konflikt im Irak von den Mullahs im benachbarten Iran nach Kräften geschürt wird. Es steht bei den heftigen Kämpfen also weit mehr auf dem Spiel als das Schicksal eines größenwahnsinnigen Islamgelehrten. Die US-Militärs spielen um alles oder nichts. Wenn sie diesen Krieg überhaupt noch einigermaßen heil überstehen wollen, müssen sie um jeden Preis diese Schlacht gewinnen, ohne die Heiligtümer der Schiiten ernsthaft in Mitleidenschaft zu ziehen oder zu entweihen. Vielleicht gibt es ja dann mittel- und langfristig doch noch eine kleine Chance, den Frieden zu gewinnen. d.schwickerath@volksfreund.de

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