Was nun, Mr. President?

Internationale Organisationen, die wegen der akuten Gefahr für Leib und Leben ihr Personal abziehen. Saddam Husseins engster Vertrauter, der den immer blutigeren Widerstand im Irak nach Erkenntnissen der USA organisiert. Und eine amerikanische Militärführung, die bei der bisher vergeblichen Suche nach Massen-Vernichtungswaffen nun kürzer treten will, weil sie den Kampf gegen die heimtückischen Attacken verstärken muss. Diese aktuellen Entwicklungen bilden die düstere Kulisse für eine Situation, in der sich US-Präsident George W. Bush - von der öffentlichen Meinung mehr und mehr in die Defensive gedrängt - über den weiteren Kurs im Irak entscheiden muss. Denn die Mission Irak ist, wie das Weiße Haus am 1. Mai mit einem heute kritisch belächelten Banner während der Präsidenten-Landung auf einem US-Flugzeugträger suggerierte, längst nicht "erfüllt". Das amerikanischeVietnam-Trauma gewinnt in der täglichen Diskussion in den USA täglich mehr Bedeutung, zumal nun die Zahl der in der offiziellen "Nachkriegszeit" Gefallenen die Zahl der toten GI übersteigt, die während der von Bush so definierten "Hauptkampfphase" starben. Spätestens zu Beginn des Wahljahres 2004, in dem über eine zweite Amtsperiode für den Texaner entschieden werden wird, dürfte angesichts der sich nun immer deutlicher abzeichnenden konjunkturellen Erholung die Außenpolitik und damit eine Frage die US-Politik beherrschen: Was nun, Mr. President? Schon heute ist spürbar, dass Bush durch weiter sinkende Umfragewerte gezwungen werden könnte, einen Umdenk-Prozess zu vollziehen. Während seiner letzten Präsidentschafts-Kampagne hatte er noch die Aufgabe des jetzt im Irak verzweifelt angestrebten "nation building", also die Umwandlung oder den Neuaufbau fremder Staaten nach dem Demokratieverständnis der westlichen Welt, brüsk zurückgewiesen: Dies könne nicht die Aufgabe der USA sein, weil die Kernaufgabe des Militärs darin bestehe, Kriege zu gewinnen. Eine Rückbesinnung auf diese frühere Kernthese könnte nun die Weichen für die weitere Irak-Politik stellen. Denn rechtfertigen die Terroranschläge des 11. September 2001 tatsächlich die fragwürdige Strategie, ein auf völlig anderen kulturellen und religiösen Prinzipien beruhendes Land nach amerikanischen Wertmaßstäben umzukrempeln? Die Messlatte Bushs, aus dem Irak einen stabilen Leuchtturm für westliche Demokratien zu machen, liegt auf einer Höhe, die kaum zu überspringen sein wird. Ein rascher Abzug wäre das Gebot der Stunde. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort