Wegsehen oder wegsperren?

Am schnellsten übers Ziel hinausgeschossen haben wieder mal die bayerischen Politiker: Als Anfang Februar ein deutscher Problem-Jugendlicher in Griechenland seinen Betreuer tötete, forderte CSU-Sozialministerin Christa Stewens umgehend den Stopp der Erlebnispädagogik im Ausland.

Populistisch und schlagzeilenträchtig gewiss, doch der Sache nicht dienlich. Die Wirklichkeit ist nämlich auch in diesem Bereich komplizierter, als manche Politiker uns glauben machen wollen. Mag sein, dass einiges an der so genannten "Palmen-Pädagogik" verbesserungswürdig, änderungsbedürftig ist. Dass Problem-Kids etwa ausgerechnet monatelang nach Nicaragua oder in die Vereinighten Staaten geschickt werden müssen, um sozialisiert zu werden, ist dem normalen Steuerzahler nur schwer nahe zu bringen. Andererseits: Der Ansatz, extrem schwierige Jugendliche eine Zeitlang aus ihrer gewohnten Umgebung herauszulösen und sie durch intensive pädagogische Betreuung und strukturierte Arbeit in der Natur zu stabilisieren, ist richtig. Wichtiger noch: Die meisten Jugendämter, die die Maßnahmen absegnen und schließlich auch zahlen müssen, sind mit den Ergebnissen zufrieden, wollen nicht, dass die ohnehin nur für wenige Einzelfälle in Frage kommende Erlebnispädagogik im Ausland gestrichen wird. Wer dagegen - wie einige vorschnelle Politiker - polemisiert, muss auch die Alternativen aufzeigen. Was, bitteschön, soll denn künftig mit Kindern und Jugendlichen geschehen, die von Elternhaus und Schule längst aufgegeben worden sind? Sollen sie sich selbst überlassen oder weggesperrt werden? Auf diese Fragen hat auch die sonst so schnelle bayerische Sozialministerin Christa Stewens noch keine Antwort gegeben. r.seydewitz@volksfreund.de

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