Wie ein präsidiales Jojo

Als Berichterstatter kann man Horst Köhler getrost mit einer gewissen Gelassenheit zuhören. Wenn das Staatsoberhaupt ans Rednerpult tritt, klammert es sich in der Regel Wort für Wort an sein Manuskript.

So entstehen Ansprachen weitgehend ohne Esprit; man lauscht einem Mann, der auf "Nummer Sicher" gehen will, weil er sich selbst seiner Sache nie sicher ist. Köhlers Worte verhallen deshalb oft, seine verbalen Einmischungen überdauern nur selten die nächste Woche. Zweieinhalb Jahre ist er jetzt im Amt, Halbzeit für den Mann im Schloss Bellevue. Er ist unter anderen Vorzeichen zum Staatsoberhaupt gekürt worden: Köhler sollte Vorbote einer Reformkoalition aus Union und FDP sein; jetzt regiert das große schwarz-rote Bündnis. Und das hat an einem "unbequemen" Staatsoberhaupt längst kein Interesse mehr. Im Gegenteil: Im Berliner Politikbetrieb rümpfen sie immer deutlicher die Nase. Weil sich der so genannte "politische Präsident" Köhler - dem als Ökonom das Politische in Wahrheit ziemlich fern liegt - immer wieder unbeholfen ins Alltägliche hineintastet. Runter vom präsidialen Thron ist er mehrfach schon wie ein Jojo in die Niederungen des Arbeitslosengeldes I, der Föderalismusreform, der Familienpolitik, der Tagespolitik an sich geschnellt, um dann zügig wieder zurück zu zucken. Mal taucht er auf, dann taucht er wieder ab. Köhlers Markenzeichen war bislang das unklare Bild, das er hinterlassen hat. Es fehlte die Linie. Und noch etwas: Seine forschen Teilnahmeversuche über das präsidial Mahnende, über das Nachdenkliche hinaus haben nicht wirklich etwas bewegt, sondern ganz offensichtlich nur die Abwehrmechanismen der Politik verstärkt. Also zeigt er jetzt häufiger anders die Zähne. Die große Koalition bietet ihm die Angriffsfläche, die Bühne, in dem sie Gesetze erarbeitet, die Köhlers Stab mit Federstrich als verfassungsrechtlich bedenklich bewertet. Er meldete Zweifel beim Luftsicherheitsgesetz an, er verweigerte seine Unterschrift bei der Privatisierung der Flugsicherheit. Jetzt kippte der Bundespräsident kurzerhand das Verbraucherinformationsgesetz. Eine Blamage für das Bündnis aus Union und SPD. Der klare Blick auf die verfassungsrechtlichen Dinge, die Rolle des unparteiischen Sachwalters scheint der Mann in Bellevue nun anzustreben. Das ist gut und gefährlich zugleich - denn er wird viel zu tun bekommen, wenn er seine Maßstäbe künftig häufiger ansetzt. Und ob der Präsident damit seinem Ziel einer zweiten Amtsperiode näher kommen wird, ist überaus fraglich. nachrichten.red@volksfreund.de

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