Wo bleiben die Antworten?

Die "Menschen im Lande", wie Politiker ja gerne sagen, haben mehr verdient als das, was ihnen gestern im Reichstag geboten wurde. Weder Gerhard Schröder noch Angela Merkel können für sich in Anspruch nehmen, den Deutschen in der heiklen und immer dramatischer werdenden Frage eines Irak-Krieges neue Orientierung und damit einen eindeutigeren Weg vorgegeben zu haben. Beide haben nämlich die Chance versäumt, endlich Antworten zu geben, die sie bislang beharrlich verweigerten. Aus Taktik, aus Angst vor Ehrlichkeit? Sicherlich. Wahrscheinlich aber auch, weil Kanzler und Oppositionsführerin sie selbst noch gar nicht kennen. Und genau das ist das Schlimme - die Politik von Regierung und Opposition gleicht sich darin, dass es beiden an einer von offenem Denken geprägten Haltung mangelt. Sie pendeln nur noch zwischen den Extremen. Gerhard Schröder präsentierte sich während der Debatte wie erwartet als internationaler Friedenshüter. Zweifellos hat der Kanzler auf seinem Weg zu diesem inoffiziellen, jedoch nicht preiswürdigen Titel außenpolitisch agiert wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Schröder steht nun aber dort, wo er - unbestreitbar - auch aus innenpolitischen Gründen unbedingt hin wollte: an der Spitze der Friedensbewegung. Fragt sich nur, wie er sich dort halten will, wenn seine russisch-französische Allianz wegbricht (was nur eine Frage der Zeit sein dürfte). Und wenn die von ihm so geschätzten Inspekteure (die übrigens nur durch militärischen Druck wieder in den Irak einreisen durften) bei einer womöglich verlängerten Mission plötzlich zu eindeutigen, den Diktator Saddam Hussein belastenden Ergebnissen kommen - was dann, Herr Schröder? Der Kanzler denkt eben derzeit nicht perspektivisch, er wägt nicht mehr ab, das ist sein fatales Manko. Deswegen bleiben viele solcher Fragen von ihm unbeantwortet. Und Angela Merkel und ihre Union? Klar, als Opposition muss sie den diplomatischen Kamikazeflug des Niedersachsen geißeln. Sie tut es zu Recht. Aber: Was die Union konkret will, lässt auch Merkel wie schon so oft im Dunkeln. Setzt sie tatsächlich auf den Krieg, wie der Kanzler ihr vorwirft? Will sie eine deutsche Beteiligung bei einem Feldzug gegen den Irak des transatlantischen Bündnisses wegen? Darauf deutet zumindest hin, wie kritiklos die C-Parteien dem in einigen Bereichen weiß Gott kritikwürdigen Vorgehen der USA gegenüberstehen. Wo sind die konkreten Antworten, Frau Merkel? Auch die Opposition hat die Pflicht, sich bei solch existentiellen Fragen nicht ein Schweigegelübde aufzuerlegen. Vielleicht leidet die deutsche Politik insgesamt derzeit aber auch nur an dem, was viele Bürger vermutlich empfinden: In jeder Argumentation liegt ein Stück Richtigkeit, es gibt in der Irak-Frage aber keine ultimative Wahrheit. Und deswegen ist es so schwer, eine klare Position, eine klare Linie zu finden. nachrichten.red@volksfreund.de

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