Zehn gegen Schröder

Erinnern wir uns an den 22. Mai, als Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering in einsamer Selbstherrlichkeit beschlossen, Neuwahlen auszurufen.

Erinnern wir uns an den 22. Mai, als Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering in einsamer Selbstherrlichkeit beschlossen, Neuwahlen auszurufen. Der Union lief damals das Wasser im Munde zusammen, sie sah sich schon an den Fleischtöpfen der Macht. Fortan war die Unionsspitze bemüht, allzu voreilige Siegeszuversicht zu dämpfen. Eine Aufgabe, der sich CSU-Chef Edmund Stoiber mit besonderer Hingabe und großem Erfolg widmete.Seit gestern darf die etwas abgeschmierte Union wieder hoffen: Zum einen stabilisierten sich erstaunlicherweise die zuletzt bröckelnden Umfragewerte wieder. Zum zweiten hat Kanzlerkandidatin Angela Merkel endlich ihr so genanntes Kompetenzteam vorgestellt. Darunter ist eine Mannschaft zu verstehen, die nicht unbedingt in dieser Formation auch antreten wird, sollte die Bundestagswahl am 18. September - so das Bundesverfassungsgericht dazu seinen Segen gibt - vom bürgerlichen Lager gewonnen werden. Merkels "starke Truppe" soll also ausdrücklich kein Schattenkabinett sein. Das ist insofern schade, als dass man schon gerne gewusst hätte, welche Arbeitspferde den Bundeskarren denn nun tatsächlich aus dem Schlamassel ziehen sollen.

Die Kanzlerkandidatin hat neun Persönlichkeiten benannt, die allesamt ein respektables Renommee besitzen. Mit ihr zusammen sind es also zehn, die gegen Schröder zu Felde ziehen. Der elfte in der Mannschaft fehlt indes: Der bayerische Ministerpräsident will partout weiterhin im Abseits stehen. In dieser heiklen Personalie kristallisiert sich das Kernproblem, mit dem Merkel nach wie vor zu kämpfen hat: Solist Stoiber gefällt sich trotz heftiger interner Kritik weiterhin als Extrawurst. Mit seiner Weigerung, für den Superbereich Wirtschaft und Finanzen einzustehen, hat er die Kandidatin gezwungen, Ersatzspieler zu nominieren. Und dass nun ausgerechnet der politisch unerfahrene Quereinsteiger Paul Kirchhof als Star der Truppe gilt, die den Vollprofis Schröder und Joschka Fischer Paroli bieten soll, wirft ein bezeichnendes Licht auf ein Team, das zwar solide wirkt, aber wenig Glanz versprüht.

Natürlich fehlt der ausgewiesene Experte Friedrich Merz, mit dem sich Merkel verkracht hat. Gewiss fehlen (neben Stoiber) auch Roland Koch oder Michael Glos. Der Verzicht dieser Kaliber legt zugleich die Schwäche der Kandidatin bloß: Sie ist in der Unionsspitze noch längst nicht so akzeptiert wie weiland Helmut Kohl. Auch der gebremste Eifer der CDU-Ministerpräsidenten trägt keineswegs zu dem Bild der Geschlossenheit bei, das zu einem Wahlsieg vonnöten ist. Dennoch: Merkel wird, wenn nicht erneut ein Wunder geschieht, im Herbst die erste Bundeskanzlerin der Republik. Schwer vorstellbar, dass die Bürger die politische Tristesse der vergangenen Jahre verdrängen und abermals Rot-Grün wählen. In jedem Fall wird die Wahl ein pikantes Ergebnis bringen: Gewinnt die Union, ist es Merkels Sieg. Verliert das bürgerliche Lager, ist es Stoibers Niederlage.

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