Zeichen erkennen

Die Jugend ist längst nicht so gottlos, wie manche denken. Sie glauben, und sie sind religiös. Für viele mag das Ergebnis der Studie des Trierer Soziologen Vogelgesang erstaunlich sein. Ruft man sich jedoch die beeindruckenden Bilder des Weltjugendtages vergangenes Jahr in Köln wieder in Erinnerung, ist es gar nicht so überraschend.

Eine Million Jugendliche verehrten den Papst, feierten ihn wie einen Popstar, jubelten einem Mann zu, den viele von ihnen heftig, und zu Recht kritisieren. Die Lehre der katholischen Kirche hat rein gar nichts mit der Lebenswirklichkeit der heutigen Jugend gemein. Eine antiquierte Sexualmoral mit dem Verbot von Empfängnisverhütung und dem Gebot zur Keuschheit steht eher freizügiger lebenden und von Enthaltsamkeit nicht viel haltenden Jugendlichen gegenüber. Und trotzdem bekennen sich genau diese zum Glauben. Kardinal Lehmann hat bereits vor Längerem mit einer Bemerkung für Aufsehen gesorgt, die aber die neue Religiosität der Jugendlichen treffend beschreibt: Die Mädchen, die in Rom dem Papst zujubeln, haben die Pille in der Tasche. Na und? Papst und Pille sind eben für viele Jugendliche keine Gegensätze. Sie haben einen Weg gefunden, Glauben zu leben. Sie akzeptieren die Instanz Kirche, leben jedoch ihr Leben - und sind trotzdem religiös. Auch wenn sie nicht in Gottesdienste oder langatmige Messfeiern gehen. Das wird sich auch nicht ändern. Auch in die bevorstehenden Christmetten werden nicht massenweise Jugendliche stürmen. Die Kirche muss endlich erkennen, dass der Weltjugendtag keine Ausnahme war. Er hat gezeigt, was die Jugendlichen wirklich wollen: eine lebendige, modernere Kirche, die nicht an Dogmen festhält. Die Kirche muss sich bewegen, sonst wird sie unbeweglich. b.wientjes@volksfreund.de

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