Zu Weihnachten 50 Euro mehr

Auch Hartz IV-Empfänger sollen nach dem Willen der großen Wohlfahrtsverbände in Deutschland vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren. Die Organisationen machen sich deshalb für eine Einmalzahlung der Kommunen an die Betroffenen zu Weihnachten in Höhe von 50 Euro stark. "Jeder Euro tut gut", so Werner Hesse, Geschäftsführer des paritätischen Gesamtverbandes, zu unserer Zeitung.

Berlin. Die Regelleistungen für Hartz IV-Empfänger seien zu gering bemessen, meint Hesse. "Seit 2005 hat es einen Kaufkraftverlust von fünf Prozent durch die gestiegenen Strompreise und die höheren Lebensmittelpreise gegeben", betonte Hesse. Ein Weihnachtsgeld in diesem Jahr in Höhe von 15 Prozent des Regelsatzes wäre eine "spürbare" Hilfe für die Betroffenen.

Hintergrund der Forderung ist eine deutlich bessere Finanzlage der Kommunen dank der guten Konjunktur: So stiegen die Einnahmen der Städte und Gemeinden allein aus der Gewerbesteuer 2006 um gut fünf Milliarden Euro auf einen Höchststand von 31 Milliarden Euro. Erstmals seit 2000 verzeichneten die Kommunen im vergangenen Jahr kein Jahresdefizit zwischen Einnahmen und Ausgaben mehr: Der Saldo lag mit 1,75 Milliarden Euro im Plus.

Auch der Präsident des Sozialverbands VdK Deutschland, Walter Hirrlinger, schloss sich der Forderung nach einem Weihnachtsgeld an: "Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Angesichts der Preisentwicklung bei Lebensmitteln sollte der Hartz IV-Regelsatz angehoben werden", betonte Hirrlinger im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Deutsche Caritasverband plädiert ebenfalls für das Weihnachtsgeld. "Hartz IV-Empfänger freuen sich noch einmal mehr", sagte Sprecherin Claudia Beck. Noch wichtiger sei allerdings, dass die Kommunen ihre neuen finanziellen Spielräume für den individuellen Bedarf von Hartz IV-Empfängern einsetzten, "etwa für chronisch Kranke und ihre Versorgung mit Medikamenten". Dringend müssten die Städte und Gemeinden auch beim Thema Schulspeisungen in sozialen Brennpunkten aktiv werden. "Die Versorgung von armen Kindern mit warmem Essen sollte endlich Priorität haben."

Höherer Regelsatz statt Weihnachtsgeld

Nach wie vor gibt es die Weihnachtsbeihilfe, jedoch nur für Menschen, die Sozialhilfe erhalten und etwa in Heimen leben. Die 270 000 Betroffenen erhalten einen Bonus von 36 Euro; insgesamt 9,7 Millionen Euro geben die Kommunen dafür aus. Für alle anderen Leistungsempfänger seien die Weihnachtsbeihilfen ganz gezielt abgeschafft worden, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. "Dafür hat man die Regelsätze um 15 bis 20 Prozent erhöht." Ob eine Kommune ein Weihnachtsgeld zahle, "muss sie aber selber entscheiden". Landsberg erinnerte jedoch daran, dass die Kassenlage vieler Städte und Gemeinden nicht rosig sei: "Einzelnen geht es wirklich gut. Wer dies aber flächendeckend behauptet, verkennt die Wirklichkeit." Wunderbar menschlich

Die Forderung der Wohlfahrtsverbände nach einem Weihnachtsgeld für Hartz IV-Empfänger klingt wunderbar menschlich. Aber ist sie auch realistisch? Sie passt in das derzeitige Bild, das Politik und Verbände insgesamt bieten: Die Steuereinnahmen sprudeln, die Arbeitslosigkeit sinkt, prompt wird mehr darüber diskutiert, was an zusätzlichen Mitteln wofür ausgegeben werden kann. Anstatt darüber nachzudenken, wie sich der Aufschwung erhalten, vielleicht sogar noch verstärken lässt. Verteilungskämpfe nennt man das. Die Ansprüche werden lauter erhoben als noch in Zeiten, in denen die Wirtschaft vor sich hin dümpelte. Ob die Forderungen deshalb auch gerechtfertigter sind, steht auf einem ganz anderen Blatt. Jedem seien ein paar Euro mehr gegönnt, gerade zu Weihnachten. Insbesondere denen, die jeden Cent gleich mehrfach umdrehen müssen. Die Kommunen, die sich das finanziell erlauben können - bitteschön, nur zu. Doch das gilt für die wenigsten Städte und Gemeinden. Das ist schade für die Betroffenen, aber eine Folge der immer noch prekären Kassenlagen. nachrichten.red@volksfreund.de

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