Zu kurz gesprungen

Manchen geht es nicht schnell genug. Da gibt es endlich, nach all den Jahren, einen ersten ökumenischen Kirchentag, auf dem die Weichen für einen beschleunigten Kurs der Verständigung zwischen evangelischen und katholischen Christen und Kirchen gestellt werden könnten. Und prompt müssen einige kirchliche "Basisdemokraten" schon das gemeinsame Abendmahl halten. So schnell mahlen allerdings die Mühlen speziell der katholischen Kirche nicht. Der Papst selber hat in einer noch druckfrischen Enzyklika deutlich gemacht, dass in der Abendmahlsfrage noch nachgesessen werden muss, ehe die von allen erstrebte Schlussnote erteilt werden kann. Es entspricht kirchenpolitischer und ökumenischer Weitsicht, dass verantwortliche Kräfte auf evangelischer wie katholischer Seite darauf verzichtet haben, den Kirchentag auf Gedeih und Verderben an die Lösung der Abendmahlsfrage zu ketten. Es gibt anderes, über das gesprochen werden kann, und - so hat es unter anderen auch der Trierer Bischof Reinhard Marx postuliert - es sollten vielleicht erst einmal die Gemeinsamkeiten beider Kirchen ausgelotet und dokumentiert werden, anstatt sich an einer Einzelfrage festzubeißen und sich an ihr womöglich zu überwerfen. Das könnte die Erfolge jahrelanger Bemühungen zunichte machen und würde den Gegnern einer ernsthaften ökumenischen Vorwärtsbewegung nur in die Hände spielen. Insofern ist der sogleich als Skandal bewertete Vorgang in Berlin kaum dazu angetan, den ökumenischen Prozess nachhaltig zu befördern. Kurzsichtig betrachtet schadet er sogar eher dem Anliegen, den ökumenischen Gedanken wieder in ein breiteres öffentliches Bewusstsein einzubringen. Wenn nun anstelle der vielen Kirchentagserlebnisse und -eindrücke nur mehr der Streit um das Abendmahl das ökumenische Erscheinungsbild in den Medien beherrscht, dann hilft das nicht sehr weiter. Oder doch? Dass sich kirchliche Ruhestörer ungeduldig und für viele unverschämt daran machen, schon zu feiern, wo andere sich erst einmal noch viel Arbeit vorgenommen haben, muss auch als heilsamer Stachel im Fleisch einer Kirche gewürdigt werden, die in Sachen Ökumene immer noch behäbig reagiert statt zügig voranzuschreiten. Denn darüber herrscht Einigkeit: Im Sinne des Stifters der Kirche (übrigens auch als Ruhestörer bekannt) ist der Zustand der Spaltung nicht. Die Frage ist nur: Wie kann sie am raschesten überwunden werden? Durch kurz greifende Protestaktionen wohl kaum. Aber auch nicht, indem ökumenischer Fortschritt in Jahrhunderte lang erprobter Unbeweglichkeit weiter auf die lange Bank geschoben wird. Das wäre mindestens genau so kurz gesprungen. m.pfeil@volksfreund.de

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