Zufriedenheit in der Union

BERLIN. Hinter den Kulissen bereiten sich SPD und CDU in Berlin auf den Tag nach den Landtagswahlen am 26. März vor.

Nach außen hin arbeitet die Berliner Regierung harmonisch. Die Sitzung des Koalitionsausschusses am Donnerstagabend dauerte nur rund zwei Stunden, zu verkünden gab es hinterher nichts. Routine, hieß es. Auf der Tagesordnung stand neben Wichtigem, wie der EU-Dienstleistungsrichtlinie - wo es keinen klaren Beschluss gab - so Profanes wie die künftige Gestaltung von Schweineställen. Doch hinter den Kulissen ist anschwellende Unruhe zu verspüren. Vor allem die SPD unterliegt derzeit heftigen Stimmungsschwankungen, was wiederum die Union mit Bangen beobachtet. Beide Seiten fürchten sich vor dem 26. März, dem Tag der Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Zwei Meldungen schlugen Anfang der Woche mächtig ins Willy-Brandt-Haus ein: Zum einen hatten Umfragen bestätigt, dass von der Großen Koalition bundesweit allein die Union profitiert. Zum anderen drohte nach den Prognosen mit Rheinland-Pfalz das letzte SPD-regierte Flächenland verloren zu gehen. "Wenn das geschieht, muss sich nach dem 26. März etwas grundlegend ändern", sagte ein SPD-Vorständler am Rande eines Treffens der Bezirks- und Landeschefs am Mittwoch. Ins Visier geriet SPD-Chef Matthias Platzeck. Die Kanzlerin könne sich momentan nur so gut positionieren, weil es in der SPD zu ihr keinen Gegenpol gebe, analysierte etwa Forsa-Chef Manfred Güllner in einem Zeitungsinterview, das bei den versammelten Landesfürsten stark beachtet wurde. Seit Donnerstag gibt es zwar eine gewisse Entwarnung - die neuesten Umfragen in Rheinland-Pfalz stimmen aus SPD-Sicht wieder und in Sachsen-Anhalt könnte es sogar zu einem Regierungswechsel zu ihren Gunsten kommen. Vom Tisch ist das Thema "Wie können wir uns in der großen Koalition profilieren" jedoch nicht. Platzeck zieht die Notbremse

Platzeck versuchte es am Mittwoch in Sachen Rente mit einem Machtwort. Nicht in der Sache, wohl aber wegen des Vorgehens war er mit Vizekanzler Franz Müntefering aneinander geraten. Dieser verwirrt die Genossen zunehmend mit seinem sphinxhaften Politikstil. Müntefering hat zwar nie verschwiegen, dass er die Rente mit 67 schon früher als 2035 einführen will und muss, einen Fahrplan dafür aber hatte er mit niemandem abgestimmt. Übers Wochenende platzierte er den Vorstoß in einem Magazin, was eine heftige politische Debatte auslöste, auf die die SPD-Parteiführung überhaupt nicht vorbereitet war. Als sich führende Unionspolitiker wie Fraktionschef Volker Kauder und Agrarminister Horst Seehofer öffentlich von dem Vorschlag distanzierten und zugleich die SPD-Wahlkämpfer Kurt Beck in Rheinland-Pfalz und Jens Bullerjahn in Sachsen-Anhalt sich intern über die Störung ihrer Kampagne beklagten, zog Platzeck die Notbremse. Sofort sollte Müntefering einen Kabinettsbeschluss erwirken, um die Union zu einem Bekenntnis zur früheren Einführung der Rente mit 67 zu zwingen und die schädliche Debatte zu beenden. So geschah es. Und die Sozialdemokraten deuteten den verunglückten Ablauf im Nachhinein zu einer genialen Strategie um: "Wir sind der Motor der Koalition", sagen sie stolz. Im Koalitionsausschuss legten die Sozialdemokraten noch einmal nach und verlangten, dass Querschüsse wie der von Seehofer nicht noch mal vorkommen dürften. Bei der CDU tropfte die Kritik ab. In der SPD weiß man, dass viele ein Auto nicht wegen des Motors kaufen, sondern wegen der schicken Karosse. Angela Merkel glänzt auf außenpolitischem Parkett, während Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit Krisenmanagement blockiert ist. In der Union herrscht Zufriedenheit. Die große Koalition sei "das beste, was uns passieren konnte", sagt ein führender Unionsmann. Einzige Sorge sei, dass die SPD wegen verlorener Landtagswahlen wieder nervös werde. Und so sagt dieser CDU-Spitzenmann etwas Unerhörtes: "Es wäre eine Katastrophe für die große Koalition, wenn Kurt Beck verlieren würde."

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