Zum Erfolg verdammt

Ist die große Koalition nach einem Jahr wirklich schon am Ende? "Aufgebraucht", wie einige meinen, "orientierungslos" oder "kurz vor der Kapitulation", wie andere sagen? Dass es momentan um den Zustand von Schwarz-Rot nicht gut bestellt ist, räumen hinter vorgehaltener Hand selbst hochrangige Repräsentanten der beiden Regierungsparteien ein.

Bei den drei großen bevorstehenden Reformprojekten Gesundheit, Unternehmenssteuern und Mindestlohn hakt es an allen Ecken und Enden. Der angebliche Koalitionskompromiss bei der Gesundheitsreform wurde bereits lauthals verkündet, obwohl wesentliche Streitpunkte wie der Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen nicht ausgeräumt waren. Der Schnellschuss erinnert an die Endzeiten von Rot-Grün, als einiges mehr nach Flickwerk roch als nach durchdachten politischen Entscheidungen. Und doch gibt es einen gravierenden Unterschied: Anders als Rot-Grün ist die große Koalition zum Erfolg verdammt. Keine andere politische Konstellation als Schwarz-Rot mit satten Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat könnte die fälligen Reformentscheidungen mühelos parlamentarisch absegnen. Würde die große Koalition scheitern, wäre der Ansehensverlust groß und damit auch der Schaden für die gesamte Politik. Um diese Verantwortung wissen die Beteiligten auf beiden Seiten. Es mag daher momentan im Gebälk knirschen. Zum Bruch aber wird es nicht kommen. r.seydewitz@volksfreund.de

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