Zum Wohle des Kindes

Zwei Hauptargumente werden Familienministerin Ursula von der Leyen bei ihrem Vorhaben, die Betreuungsangebote für zwei- und dreijährige Kinder auszuweiten, von ihren parteiinternen Kritikern entgegengehalten.

Das eine lautet, sie schränke damit die Wahlfreiheit zwischen einer Betreuung zu Hause und der Krippenbetreuung ein. Dem widersprechen alle Fakten. Nach der jüngsten Statistik von 2002 hatten die westdeutschen Länder nur für 2,8 Prozent der Kinder Plätze in Tageseinrichtungen. Und selbst diese sind nicht so, dass sie einer berufstätigen Mutter helfen. Öffnungszeiten von neun bis zwölf Uhr bieten allenfalls Zeit zum Putzen. Tatsächlich müssen über 95 Prozent der Frauen in den alten Ländern die Betreuung privat organisieren und bezahlen, wenn sie arbeiten wollen. Es ist jeden Tag ein Drahtseilakt. Selbst mit den geplanten 750 000 Plätzen wird erst ein Versorgungsgrad von 30 Prozent erreicht, wie ihn die östlichen Bundesländer und Berlin bereits haben. Der Plan schafft also erst jene Wahlfreiheit, die die Kritiker zu schützen vorgeben. Zweitens sagen Kritiker wie Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, dass es für Kinder "nichts Besseres" geben könne, als in der Familie betreut zu werden. Gibt es doch: Die Krippe. Die Familie herkömmlicher Prägung ist nämlich selten geworden. Weder befinden sich mehrere Generationen in einem Haus, noch mehrere Kinder. Die Mehrzahl sind Einzelkinder, und was viele von ihnen erleben, ist entweder Vernachlässigung oder Überbehütung. Das, was Kinder ab dem zweiten Lebensjahr brauchen, können die meisten Familien nicht bieten. In der Krippe haben die Kinder Kontakt zu anderen Kindern, sie lernen sich in einer Gruppe zu bewegen, sie lernen soziales Verhalten, sie bekommen pädagogische Anregungen. Vorausgesetzt natürlich, dass die Erzieher entsprechend ausgebildet sind und die Krippe gut ausgestattet ist. Besonders wichtig sind solche Einrichtungen für die Integration der Migrantenkinder. Unmittelbar auf die Geburtenrate wirken sich bessere Betreuungsangebote allerdings nicht aus. Auch im Osten kommen nur wenige Kinder zur Welt. Damit der Mut zum Kind zunimmt, muss noch viel mehr passieren, wie das Beispiel Frankreich zeigt. Dort gibt es frühkindliche Betreuung, einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und Ganztagsschulen. Und dort ist das gesamte gesellschaftliche Klima der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegenüber aufgeschlossener. Frankreich übrigens ist katholisch und wird derzeit konservativ regiert. Es geht also. nachrichten.red@volksfreund.de

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