Zurück im Flachland

Wie mag sich Kurt Beck im fernen Ruanda gefühlt haben? Die einen reden über Afrika, der SPD-Chef fährt hin. Das ist schon mal eine Botschaft. Doch mehr war für den Rheinland-Pfälzer in der vergangenen Woche nicht drin.

Während Kanzlerin Angela Merkel in Heiligendamm die Mächtigen pompös dirigierte und tagelang die Schlagzeilen bestimmte, wurde Beck nachlesbar zum Paten eines Gorilla-Babys gekürt. Außenpolitische Gehversuche im ganz kleinen Maßstab nennt man das. Zwei Abstecher, zwei Welten. Die eine hinauf zum Gipfel, der andere hinab in die Ebene. Wenn auch in die afrikanische. Im deutschen Flachland treffen sich nun beide wieder: Statt Weltpolitik steht jetzt Mindestlohn, Pflegeversicherung und Erbschaftssteuer auf der Tagesordnung des schnöden und glanzlosen Koalitionsausschusses. Für den bodenständigen Beck eine Wohltat, "Miss World" Merkel wird sich grausen.

Großkoalitionärer Alltag ist angesagt. Das belegen schon die verbalen Scharmützel, die sich die Parteioberen von Union und SPD gleich nach dem Ende des G8-Treffens liefern. Die Genossen wollen Merkels außenpolitischen Höhenflug möglichst schnell bremsen. Verständlich angesichts der Umfragen. CDU/CSU sind darum bemüht, den Glanz der Kanzlerin über die Niederungen der Innenpolitik scheinen zu lassen. Auch das ist nachvollziehbar. Aber: Inzwischen geht es den Partnern um mehr als nur um kleine Punktgewinne. Beide Seiten bringen sich demonstrativ in Stellung für 2008. Dann stehen wichtige Landtagswahlen an, die durchaus über die Zukunft der großen Koalition entscheiden könnten.

Der Ton wird aggressiver. Keine Frage. Immer häufiger erklären die schwarzen und roten Führungskräfte, die große Koalition bleibe eine Ausnahme. Die Avancen der Union in Richtung FDP werden noch nicht einmal mehr versteckt. Der Blick in den Koalitionsvertrag verrät zudem, dass die Gemeinsamkeiten aufgebraucht oder abgearbeitet sind. Was jetzt noch auf der Agenda steht, wäre nur unter großem Gewürge und heftigem Krach zu realisieren - siehe Mindestlohn. Das Beispiel der misslungenen Gesundheitsreform hat die Koalitionäre jedoch gelehrt, von Unvereinbarem möglichst die Finger zu lassen. Logisch, damals gab es nur Verlierer, Gewinner war die Opposition.

Also stürzt man sich darauf, was man gerade als große Koalition am besten kann: Wahlkampf gegeneinander. Noch sechs Monate. Hessen und Niedersachen im Januar werden vor allem für die Union und ihre Kanzlerin ein wichtiger Stimmungstest vor der Bundestagswahl 2009 sein. Mit diesen beiden Urnengängen wird Merkel indirekt erstmals ein wirkliches, innenpolitisches Zeugnis vom Wähler ausgestellt bekommen. Im Februar muss im einst so roten Hamburg die SPD und mit ihr der Vorsitzende Kurt Beck zeigen, dass sie noch in der Lage sind, anders als in Bremen Wahlen tatsächlich zu gewinnen. Niedersachsen und Hessen gelten bereits als verloren.

Anfang 2008 wird für die Bundespolitik daher überaus turbulent. Für die zweite Hälfte des laufenden Jahres bedeutet dies allerdings: Die Rückkehr der ruhigen Hand dürfte unmittelbar bevorstehen.

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