Zur Beruhigung: Erhard lesen

Die Union reagiert nervös auf ihre sinkenden Umfragewerte. Hinter der heftig geführten Debatte steckt das Gefühl, die Zahlen könnten ein Reflex auf den realen Zustand der Partei sein und sich dauerhaft etablieren.

Angela Merkel ist es nicht gelungen, der CDU eine Orientierung zu geben. Mehr noch: Sie hat sie desorientiert. Schon vergessen, wie die Spitzenkandidatin die Union vor der Bundestagswahl auf neoliberal trimmte, mit Kopfpauschale, Kirchhof und Abbau des Kündigungsschutzes? Die Stammwähler der Union hat das abgeschreckt. Auch hier gibt es niemanden mehr, der nicht Angst hat, dass morgen sein Arbeitsplatz wegrationalisiert, verlagert oder verkauft werden könnte. Nur 35 Prozent, das war die Quittung für Merkels Wahlkampf, der allerdings nicht ihrer allein war. Die ganze Führung hatte dem Programm zugestimmt. In der Union ist seitdem nie darüber debattiert worden, warum man sich damals so besoffen hat reden lassen vom Wirtschaftsliberalismus. Und nun mit der großen Koalition die abrupte Wende. Mehrwertsteuererhöhung, Erhöhung des Krankenkassen-Beitrags, mehr Staat. Der Verweis auf die SPD als bösen Buben trägt nicht weit. Die Union hat die Grenzen ihrer Handlungsmöglichkeiten in der Koalition gar nicht ausgetestet. Merkel will gelernt haben aus der Fastniederlage bei der Wahl. Doch was? Dass das Gegenteil des früheren Ansatzes plötzlich richtig ist? Einzig in der Familien- und Gesellschaftspolitik, teilweise auch im Umweltschutz, gibt es eine klarere Linie. Die Parteichefin orientiert die Union dort langsam um zu moderneren Ansätzen. Und erntet dafür Widerstand in jenen Landesverbänden, die glauben, im rückwärts gewandten Konservatismus, garniert mit markigen Sprüchen, liege das Heil der Partei. Doch dort liegt allenfalls eine Zukunft als Seniorenvertretung. Zur inhaltlichen Schwäche gesellt sich die Schwäche der Position. Merkel hat innerparteilich keine so starke Stellung, wie Helmut Kohl sie hatte. Sie hat viele gleich Starke neben, vor, hinter und auch gegen sich. Der Union fehlt ein klares Zentrum. Quo vadis, CDU? Eine Anleihe bei Ludwig Erhard könnte nützlich sein. Soziale Marktwirtschaft. Betonung auf sozial und Betonung auf Marktwirtschaft.

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