Zwischen Sumpfschildkröte und Polizeikasper

BERLIN. Pressemitteilungen sind doch wie die Menschen, die sie verfassen: Es gibt solche und solche. Übersetzt heißt das, es gibt schlechte, weil viel zu lang. Und es gibt gute, weil schön kurz und knackig.

Über allen schweben aber die kuriosen, die der Informationsdienst "politikerscreen" im ablaufenden Jahr gesammelt hat. Und siehe da, womit sich Politiker so beschäftigen: mit Zuchthengsten, Überraschungseiern oder Günther Netzer. Georg Milbradt , Sachsens leidgeprüfter Ministerpräsident, ließ im September etwas Erfreuliches verkünden: "Elton verstarb im besten Hengstalter. Sechs Jahre danach setzt ihm der Freistaat ein Denkmal. 1983 geboren, begann Elton seine Karriere als Deckhengst schon im zarten Alter von vier Jahren. In seinen 13 Lebensjahren brachte er es auf 189 Nachkommen." Milbradt enthüllte deshalb höchstpersönlich in Moritzburg eine lebensgroße Bronzestatue des Zuchthengstes. Petra Pau , PDS-Abgeordnete mit roter Mähne, versuchte sich hingegen auf einem ganz anderen Geläuf, auf dem Fußballplatz: Sie hatte Ikone Günter Netzer im Visier, der in einem Interview gesagt hatte, Ossis wie Michael Ballack würden nicht als Führungsspieler taugen. Ihre Pressemitteilung: "Zur Erinnerung, am 22. Juni 1974 gewann die DDR-Nationalmannschaft in Hamburg 1:0 gegen das BRD-Team. Und das kam so: In der 69. Minute wurde Günter Netzer eingewechselt. Und während Netzer im Mittelfeld vor sich hin döste, schoss Ossi Sparwasser in der 78. Minute das Führungs- und Sieg-Tor." "Saarland bei Abbau schwerbehinderter Menschen bundesweit Spitze", vermeldete das saarländische Sozialministerium im Juni. Tolle Leistung. "Vorsicht Waldspaziergänger: Liebestolle Hirsche unterwegs", verkündete das sächsische Umweltministerium im September. Und weiter: "Mit dem Steigen des Hormonspiegels vergessen die liebestollen Tiere schon mal ihre Umgebung." Das Innenministerium in Schleswig-Holstein plagte demgegenüber im März ein ganz anderes Problem: "Verkehrskasper bleibt - keine Polizeibeamte als Puppenspieler", war auf einer Mitteilung zu lesen. Private Puppenspieler übernahmen die Handpuppen, erfuhr man in der Mitteilung. Nur: "Ein uniformierter Polizeibeamter der örtlichen Polizeidienststelle oder ein Verkehrslehrer werden die Aufführungen privater Handpuppenbühne begleiten und damit für die Kinder als Vertrauenspersonen der Polizei zur Verfügung stehen." "Quo vadis Sumpfschildkröte?", fragte im Herbst das Landesumweltamt Brandenburg . "80 Fachleute stellen sich auf einer Tagung die Frage: Hat die Sumpfschildkröte in Brandenburg eine Chance?" Hat sie wohl nicht.

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