Streit um Beileid für gefallene Soldaten

Washington · Dass die „Boys in Uniform“ auch im Niger im Einsatz sind, dürfte der amerikanischen Öffentlichkeit noch vor Kurzem ungefähr so bekannt gewesen sein wie die Tatsache, dass Nowosibirsk am Ob liegt.

Sie kam also völlig überraschend, die Nachricht, dass vier Elitesoldaten der Special Forces am 4. Oktober im Grenzgebiet zwischen dem Niger und Mali getötet wurden. Inzwischen hat sich daran heftiger Streit entzündet, wobei es weniger um die Gefallenen geht und mehr um die Frage, ob Donald Trump, der Egomane im Oval Office, zu Empathie überhaupt in der Lage ist.

Um mit den Toten zu beginnen: Die Umstände, unter denen die vier in der Wüste Sahara ums Leben kamen, sind nicht restlos geklärt. Offenbar geriet ihre Patrouille in einen Hinterhalt islamistischer Extremisten; das Pentagon will die Hintergründe untersuchen, der Rest ist einstweilen das, was man den Nebel des Krieges nennt. Eine Fülle von Spekulationen, Halbwahrheiten, Propaganda. Einer der vier, der Sergeant La David Johnson, ein Afroamerikaner, soll zum Schluss ganz auf sich allein gestellt gewesen sein. Es soll 48 Stunden gedauert haben, bis Soldaten aus Nigeria seine Leiche fanden.

Und Trump? Vor allem dreht sich die Kontroverse darum, ob er herzlos klang, als er Johnsons Witwe Myeshia sein Beileid aussprach. Ob der Commander-in-Chief, der es während des Vietnamkriegs verstand, mithilfe ärztlicher Atteste der Einberufung zu entgehen, aufrichtig kondolierte. Oder ob er das Telefonat eher als lästige Pflichtübung empfand.

Jedenfalls rief er Myeshia Johnson erst an, als Journalisten zu Wochenbeginn fragten, warum er zwölf Tage nach der Attacke im Niger noch immer kein Wort darüber verliere. Sie habe Trumps Ton als respektlos empfunden, beschwerte sich kurz darauf Frederica Wilson, eine Kongressabgeordnete aus Florida, die mit der Witwe im Auto saß, als der Präsident zum Hörer griff. Er habe La David kein einziges Mal beim Namen genannt, sondern immer nur von "your guy" ("Ihrem Burschen") gesprochen. Und gesagt, der Sergeant habe "gewusst, worauf er sich einließ, aber ich nehme an, es tut immer noch weh".

Trump reagierte, wie er oft reagiert, wenn er unter Druck gerät. Er ging in die Offensive. Die Abgeordnete, polterte er via Twitter, habe das alles erfunden. Außerdem habe auch sein Vorgänger Barack Obama, wie die meisten US-Präsidenten, mit den Hinterbliebenen von Gefallenen nicht telefoniert. Letzteres stimmt so nicht, im Übrigen war es Obama, der Reportern nach langer Pause wieder den Zutritt zum Luftwaffenstützpunkt Dover erlaubte, damit sie über ein trauriges Zeremoniell berichten konnten. In Dover, im Ostküstenstaat Delaware, werden die Särge mit Amerikas Kriegstoten ausgeladen. Man möge John Kelly zu Obama befragen, zog Trump seinen Vorgänger voller Angriffslust in den Streit hinein.

Kelly, einst General der Marineinfanterie, hat 2010 einen Sohn in Afghanistan verloren. Zunächst verzichtete er auf jeden Kommentar, am Donnerstag aber trat er im Pressesaal des Weißen Hauses an ein wappengeschmücktes Rednerpult, um eine Gardinenpredigt zu halten. Es stimme, Obama habe sich damals tatsächlich nicht gemeldet. Das nehme er ihm jedoch nicht übel, zumal man gegenüber trauernden Angehörigen ohnehin nichts perfekt machen könne. Im Falle seines Sohnes habe der General Joseph Dunford, heute Stabschef der Streitkräfte, die richtigen Worte gefunden. "Er tat genau das, was er tun wollte, als er getötet wurde", habe er gesagt. "Er wusste, worauf er sich einließ, als er sich diesem einen Prozent (der Freiwilligenarmee, Red.) anschloss. Er wusste, was passieren konnte, denn wir waren im Krieg." Es sei bedauernswert, fügte Kelly hinzu, dass man heutzutage versuche, selbst aus seinem Soldatentod politisches Kapital zu schlagen. Wenigstens dies müsse doch sakrosankt bleiben: ein junger Mann, der sein Leben für sein Land gebe.

So emotional der Auftritt des Ex-Generals war, die Kritik an seinem Vorgesetzten ist damit nicht verstummt. John McCain, einst Kriegsgefangener in Vietnam, will Detail für Detail wissen, was sich am 4. Oktober im Niger zutrug. Notfalls, kündigt der altgediente Senator an, werde er das Weiße Haus zur Herausgabe sämtlicher relevanter Unterlagen zwingen. Der Fall, so viel scheint sicher, wird noch Kreise ziehen.

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