2017 ist ein Schicksalsjahr für Europa - Römische Verträge vor 60 Jahren unterschrieben

Trier/Rom · Vor 60 Jahren wurde in Rom der Grundstein für die heutige EU gelegt. 2017 steht sie vor einer Zerreißprobe. Eine neue Agenda zeigt, dass die Staaten hart um Einigkeit ringen.

Es ist ein runder Geburtstag. Doch nach einem rauschenden Fest ist selbst jenen nicht zumute, die die EU lieben. Am 25. März 1957 unterzeichneten sechs Staaten die "Römischen Verträge" und legten so den Grundstein für die heutige Gemeinschaft.

60 Jahre später steht die EU am Scheideweg. 2017 könnte zu ihrem Schicksalsjahr werden. In wenigen Tagen wird Großbritannien offiziell seinen Austritt verkünden. Und auch in vielen anderen Staaten wenden sich die Menschen von Brüssel ab. Europa sehen sie nicht als Chance, sondern als Last - als unerwünschte Einmischung in nationale Angelegenheiten, gar als Bedrohung für ihre Sicherheit, ihren Job, ihren Alltag. In den Niederlanden sind die Europagegner zwar nicht stärkste, aber immer noch zweitstärkste Kraft geworden. Mit Spannung werden nun die Wahlen in Frankreich und Deutschland erwartet.

All das zeigt Wirkung. Nach Jahrzehnten, in denen die Errungenschaften der EU als so selbstverständlich galten, dass sogar die größten Profiteure ihr mit Gleichgültigkeit begegneten, nach Jahrzehnten, in denen viele beim Gedanken an Brüssel bloß ein Bürokratiemonster sahen, das noch den Krümmungsgrad von Gurken regulieren will, geht nun ein Ruck durch den Kontinent. Vielen wird plötzlich bewusst, dass Frieden, Freiheit und Wohlstand auf dem Spiel stehen - und sie sind bereit zu handeln.

Das zeigt die hohe Wahlbeteiligung in den Niederlanden, das beweisen Menschen, die in Trier und anderen Städten für Europa auf die Straße gehen, und dafür spricht eine Flut politischer Appelle und ungewohnter Liebeserklärungen für die EU.

Auch die EU-Politiker hat der Brexit-Schock wachgerüttelt. Beim Sondergipfel in Rom wollen die 27 bleibenden EU-Staaten am Wochenende eine Agenda für die kommenden zehn Jahre verabschieden. "Wir geloben, auf die von Bürgern geäußerten Bedenken zu hören und zu reagieren", heißt es in dem kurzen Papier, das eine enge Zusammenarbeit und das Bemühen um einen "effizienteren und transparenteren Entscheidungsprozess" verspricht. Man werde zusammen handeln, wo nötig mit unterschiedlichem Tempo und Intensität.

Außenminister Sigmar Gabriel fordert in einem Gastbeitrag für unsere Zeitung dazu auf, für ein stärkeres Europa zu kämpfen. "Wir dürfen nicht stumm bleiben, wenn auf das Ende der europäischen Einigung gesetzt wird", sagt Gabriel. Er fordert eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik, einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und einen gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betont: "Die europäische Inte8gration ist das Beste, was unserem Kontinent passieren konnte. Wir müssen sie bewahren und weiter gestalten."

Was 1957 geschaffen wurde, war zunächst eine Wirtschaftsgemeinschaft. "Deutschland profitiert enorm von den Handelsbeziehungen im europäischen Binnenmarkt", sagt Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier. Mehr als 60 Prozent der rheinland-pfälzischen Exporte im Wert von 31,2 Milliarden Euro gehen an die 27 EU-Partner. Ähnlich sieht es bei den Importen aus. Knapp 66 Prozent kommen aus der EU.

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