"Über den Markt allein dauert es zu lange"

Zehn Jahre lang hat die Veranstaltungsreihe "Kolloquium Zukunft" des Zentrums für Europäische Studien an der Uni Trier hochkarätige Gastreferenten an die Mosel gebracht. Mit dem ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer hatte der scheidende Organisator Bernd Hamm zum Abschied einen "Promi" eingeladen, der die hohen Erwartungen nicht enttäuschte.

Trier. (DiL) Als er 1987 deutscher Umweltminister wurde, galt der CDU-Politiker Klaus Töpfer als unkonventioneller Querdenker. Demnächst feiert der langjährige Umwelt-Chef der Vereinten Nationen seinen 70. Geburtstag, aber seine Ansichten passen nach wie vor in keine Schablone. Nur wenige sind in der Lage, Grundlagen und Zusammenhänge internationaler Umweltpolitik so anschaulich und plausibel darzulegen wie der gelernte Volkswirtschafts-Professor. Sein Credo: Nachhaltige, ressourcenschonende Politik funktioniert nur in einem fairen, überstaatlichen Miteinander, bei dem die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.Die Praxis sah in den letzten Jahrzehnten meist anders aus. Töpfer beschreibt die "Politik der hohen Schornsteine", die dafür sorgte, dass Schadstoffe möglichst großflächig verteilt wurden, damit sie nicht auffielen. Neokolonialismus beim Umgang mit Schwächeren

Es folgte die Phase der "Filter-Politik", als man Umweltgifte am Austritt in die Umgebung hinderte, die dabei entstehenden Rückstände aber oft ärmeren Regionen zuschob, sei es Afrika, sei es der Osten der Nachwendezeit. "Neokolonialismus" nennt Töpfer dieses Verhalten und vergleicht es mit der Profitgier beim Rauschgifthandel. Große soziale Unterschiede zwischen den Regionen der Welt seien "kein Faktor von Stabilität", betont er, "es sei denn, man will überall Mauern aufrichten". Mit einer Reihe von internationalen Vereinbarungen, "Konventionen" genannt, hat der ehemalige UN-Untergeneralsekretär versucht, den Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Natur und der Menschen in ärmeren Ländern zu bremsen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Dass jetzt die verschwenderischen Industrie-Nationen angesichts drohender Klima-Katastrophe und schwindender Rohstoffe fordern, die Newcomer am Welt-Markt müssten Disziplin in Sachen Ressourcenverbrauch, Umweltschonung und Bevölkerungswachstum üben, hält Töpfer für zynisch: "Wir können von anderen nichts verlangen, was wir selbst nicht leisten wollen." Und so fordert er konsequent, dass "wir unseren Lebensstil in Frage stellen" und "uns auch mal fragen müssen, was genug ist". Die aktuelle Rohstoff-Krise und das wachsende Ozon-Loch hält er vor diesem Hintergrund für durchaus heilsam. Der Preisdruck etwa beim Erdöl erzwinge rasche Umdenk-Prozesse. "Der Hybrid-Motor wird kommen wie ein Tsunami", prophezeit der Theodor-Heuss-Preisträger. Aber dem Markt allein will Töpfer die Entwicklung nicht überlassen. "Manchmal geht es nicht ohne staatliche Vorgaben", bringt er seine Erfahrungen auf den Punkt, sonst dauere "vieles einfach zu lange". Notwendig seien "fordernde Grenzwerte", die dann in einem marktwirtschaftlichen Prozess kreative Lösungen provozieren. Erst einmal abzuwarten und zu beobachten, ob die Negativ-Prognosen in Sachen Klimawandel auch wirklich zutreffen, hält Töpfer für unverantwortlich. "Politik muss immer auf der Basis unvollkommener Informationen entscheiden", glaubt der Christdemokrat. Es gelte, Lösungen zu finden, "die helfen, wenn die Prognosen stimmen, und die jedenfalls nicht schaden, wenn die Prognosen sich als zu skeptisch erweisen". Töpfer nennt das eine "No-regret-Strategie". Und die sei allemal besser, "als auf endgültige Erkenntnisse zu warten und dann nicht mehr gegensteuern zu können".

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