26 Tote bei Schießerei in Kirche: Ein kleiner Ort in Texas erstarrt in Trauer

Sutherland Springs · Nach der Bluttat am Sonntag in der Baptistenkirche von Sutherland Springs beklagen die Einwohner mindestens 26 Todesopfer.

Diesmal ist es Barack Obama, der Ex-Präsident, der ebenso energisch wie vergebens für schärfere Waffengesetze kämpfte, der die Dinge beim Namen nennt. Er trauere mit allen in Sutherland Springs, denen dieser Akt des Hasses Leid zugefügt habe, schrieb er in einem Tweet. Und kurz darauf: "Möge Gott uns allen die Weisheit schenken, zu fragen, welche konkreten Schritte wir gehen können, um die Gewalt und das Waffenarsenal in unserer Mitte zu reduzieren."

Nach dem Massaker in einer texanischen Kirche stehen die USA einmal mehr unter Schock. Nur fünf Wochen nach dem Blutbad von Las Vegas, wo der ehemalige Buchhalter Stephen Paddock 58 Konzertbesucher erschoss. Nicht einmal eine Woche nach dem Anschlag in New York, wo der aus Usbekistan stammende LKW-Fahrer Sayfullo S. einen Pick-up mietete, um auf einem Radweg willkürlich Menschen über den Haufen zu fahren. Leroy Moore, Betreiber eines Campingplatzes in Sutherland Springs, bringt auf den Punkt, was viele ähnlich empfinden dürften: "Ist denn die ganze Welt aus den Fugen geraten?" Könne man nicht mal mehr sonntags in die Kirche gehen, ohne erschossen zu werden? Könne man sich nicht mal mehr auf ein Fahrrad setzen, ohne niedergemäht zu werden?

Sutherland Springs, das verstärkt die Ratlosigkeit noch, ist ein verschlafenes Nest mit höchstens 700 Einwohnern. Einst wegen seiner Heilquellen bei Rheumakranken beliebt, nach schweren Überschwemmungen vor 104 Jahren in die Bedeutungslosigkeit gefallen. Die meisten, die hier leben, fahren zur Arbeit nach San Antonio, in die nächste größere Stadt. Sonntags versammelt sich der halbe Ort in der First Baptist Church.

Dort begann Devin Patrick Kelley, in Schwarz gekleidet, mit kugelsicherer Weste, bewaffnet mit einem Sturmgewehr der Marke Ruger, am Sonntagvormittag kurz nach elf Uhr um sich zu schießen. Erst vor dem Gotteshaus, dann in dem Gebäude. 26 Menschen tötete er; die Zahl kann noch steigen, da einige der Verletzten offenbar in Lebensgefahr schweben. Tot ist die 14 Jahre alte Annabelle Pomeroy, Tochter des Pfarrers Frank Pomeroy und seiner Gattin Sherri, die beide am Sonntag auf Reisen waren. Tot sind acht Kinder, Enkel und Urenkel von Joe und Claryce Holcombe. Wie Joe Holcombe der Washington Post sagte, kamen sowohl sein Sohn Bryan (60) als auch dessen Ehefrau Carla (58) ums Leben. Sowohl seine schwangere Enkeltochter Crystal als auch drei ihrer Kinder (Crystals Mann John überlebte, zusammen mit zwei weiteren Kindern des Paars). Außerdem starb ein Enkelsohn namens Marc, und mit ihm, so Holcombe, dessen einjährige Tochter.

Tot ist auch der Täter. Als er nach dem Blutbad zu fliehen versuchte, wurde er Augenzeugen zufolge von einer Kugel aus dem Gewehr eines herbeigeeilten Passanten getroffen. Kelley ließ seine Waffe fallen, sprang in sein Auto und raste davon. So schildert es Johnnie Langendorff, ein Schlaks mit Cowboyhut, Kinnbart und Tattoo am Hals, den ein Land, das nach jedem Schusswaffenmassaker wie zum Trost nach Heldengeschichten sucht, als den Helden von Sutherland Springs feiert. Langendorff war in seinem Truck in der Nähe der Kirche unterwegs, als er sah, wie zwei Männer aufeinander feuerten. Der eine suchte in einem Geländewagen das Weite, der andere stürzte auf ihn zu und bat ihn, die Verfolgungsjagd aufzunehmen. "Und das ist es, was ich getan habe. Ich habe einfach gehandelt", sagte Langendorff einer lokalen Fernsehstation. Nach ein paar Minuten hätten sie den Fliehenden eingeholt, der habe die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und sei im Straßengraben gelandet. Sein Beifahrer, so Langendorff, sei mit Waffe im Anschlag hingerannt, da habe sich der Mann aber schon nicht mehr bewegt. Im Moment gehe man davon aus, dass er sich das Leben nahm, erklärte Joe Tackitt, der zuständige Sheriff.

Kelley, ein weißhäutiger Texaner, lebte in New Braunfels, einer Kleinstadt in der Nähe San Antonios. 2010 ging er nach der High School zur Luftwaffe, die ihn vier Jahre später in Unehren entließ. Stationiert auf einem Stützpunkt der Air Force im Bundesstaat New Mexico, wurde er 2012 vor ein Militärgericht gestellt und zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt, weil er seine Frau und sein Kind angegriffen hatte. Nachdem seine erste Ehe in die Brüche gegangen war, heiratete er ein zweites Mal, schreibt die Zeitung San Antonio Express-News. Kelleys Schwiegermutter, deutet der Sheriff Tackitt ein mögliches Tatmotiv an, soll regelmäßig in der kleinen Baptistenkirche in Sutherland Springs beten. Der Schütze habe ihr einschüchternde Textnachrichten geschickt, im Zuge eines Familienstreits.

Während Obama strengere Waffenparagrafen anmahnt, verlangt der Republikaner Ken Paxton, Justizminister von Texas, das genaue Gegenteil. Amerikas Kirchen sollten einige ihrer Gemeindemitglieder bewaffnen, schlägt er vor. Säßen ein paar Gläubige mit Flinte beim Gottesdienst, steige die Chance, dass ein Todesschütze rechtzeitig ausgeschaltet werden könne. Donald Trump wiederum ist erkennbar darum bemüht, die Debatte in eine andere Richtung zu lenken. Es handle sich nicht um "eine Waffen-Situation", sagte der US-Präsident in Tokio. Eher sei "psychische Gesundheit" das Problem, schließlich sei der Täter ein Geistesgestörter gewesen.

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