Ab acht Uhr ist Trier eine Geisterstadt

TRIER. Ausnahmezustand in Trier: Heute beginnt die größte Evakuierungsaktion der Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Einsatzkräfte haben die Lage nach dem Bombenfund neben dem Trierer Mutterhaus im Griff.

Herbert Albers-Hain hat Nerven. Während die größte Evakuierung nach dem Zweiten Weltkrieg in der Geschichte Triers anläuft, behält der Chef der Trierer Berufsfeuerwehr den Überblick, koordiniert den Einsatz von Helfern, steht im ständigen Kontakt zu den Verantwortlichen der Mutterhaus-Klinik und den umliegenden Alten- und Pflegeheimen. "Wir haben alles im Griff", verkündet der Katastrophen-Profi am Freitagmittag.500 Helfer werden heute und am Sonntag im Einsatz sein und dafür sorgen, dass die Evakuierung der Häuser in Trier problemlos verläuft. Gestern Abend sind die rund 5000 Anwohner in den betroffenen Straßen im Umkreis von 500 Metern um den Bombenfund per Handzettel informiert worden, wo sie am Sonntagmorgen hinmüssen. In vier Schulen und Hallen im Stadtzentrum werden Notunterkünfte eingerichtet. Ab 6.30 Uhr können die Anwohner dort rein und werden von Rot-Kreuz-Helfern versorgt. Ab sieben Uhr wird fast die komplette Innenstadt gesperrt sein, auch auf der Mosel in Trier geht bis zum Vormittag nichts mehr. Der Schiffsverkehr wird sicherheitshalber eingestellt, bis die Bombe voraussichtlich kurz nach zehn Uhr entschärft sein wird.

Zwei Stunden vor der Entschärfung werden Polizei und Feuerwehr durch die gesperrten Straßen gehen und schauen, dass sich kein Mensch mehr dort aufhält. In jedes Haus hineingehen können sie nicht. "Mehr als klingeln ist nicht drin, wenn dann noch jemand im Haus ist und nicht öffnet, können wir auch nichts machen", sagt Feuerwehr-Chef Albers-Hain. Üben können die Hilfskräfte eine solche Situation nicht. Allerhöchstens die Abläufe. Doch eine Evakuierung dieses Ausmaßes ist nicht im Voraus planbar. Schon gar nicht, wenn Pflegeheime und ein komplettes Krankenhaus mit zum Teil Schwerstverletzten geräumt werden müssen. Demnächst sollte es eine Stabsübung geben, in der genau diese Situation durchgespielt werden sollte. "Die können wir uns jetzt sparen", sagt Albers-Hain schmunzelnd.

Eine gewisse Routine haben die Helfer in Trier ohnehin. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatten 2000 Menschen in Trier-West für drei Stunden ihre Häuser verlassen müssen, als eine Bombe durch den Kampfmittelräumdienst entschärft wurde. Im Oktober gab es in Bitburg Bombenalarm. 1200 Menschen mussten für einige Stunden ihre Häuser räumen. Auch das Bitburger Krankenhaus lag im 500-Meter-Radius um die Bombe. Doch die Einsatzleiter entschieden sich damals, nicht die Klinik zu räumen, sondern nur die Patienten innerhalb des Hauses in weniger gefährdete Bereiche zu bringen. Das geht beim aktuellen Fall in Trier nicht. Dafür liegt die Bombe zu nahe am Krankenhaus. Und die Kosten der Aktion? Die kann derzeit noch keiner beziffern. Experten gehen davon aus, dass eine Bombenentschärfung insgesamt rund 50 000 Euro kostet. Der Vorteil in Trier ist, dass - falls es keine Komplikationen gibt und der verkaufsoffene Sonntag unberührt bleibt - es keinen Ausfall bei Geschäftsleuten geben wird. Auch der Dienstausfall bei Helfern der Freiwilligen Feuerwehr ist durch das Wochenende eher gering. Seit Jahren streiten sich Bund und Länder über die Übernahme von Kosten bei solchen Aktionen.

Streit um Kosten

Normalerweise übernimmt der Bund nur bei Munitionsfunden, die nachweislich aus deutschem Bestand herrühren, die Kosten. Bei Bomben, die wie die in Trier von den Alliierten stammen, müssen Länder und Kommunen dafür aufkommen.

Wie die Bombenfunde der vergangenen Monate zeigen, befinden sich auch 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch erhebliche Mengen an Munition in der Erde. Allein im ersten Halbjahr 2006 konnte der Kampfmittelräumdienst rund 12 000 Kilo Munition im Land bergen, darunter zwei 500-Kilo-, sechs 250-Kilo-, drei 125-Kilo- und sechs 50-Kilo-Bomben.

Auch Granaten, Minen, Panzerfäuste und Raketen sind geborgen worden.

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